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Zeitschaft

Zeitschaft

Titel: Zeitschaft
Autoren: Gregory Benford
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um die Kranken zu pflegen, oder waren aufs Land geflüchtet. Er spürte die Symptome der Ruhr, die ihn nachts überfallen hatte. Ein leichter Kontakt mit dem allgegenwärtigen Stoff aus den Wolken, vermutete er. Er hatte in Flaschen abgefüllte Fruchtsäfte getrunken, die er in der Cafeteria gefunden hatte, und abgepackte Lebensmittel gegessen. Zwei Tage war er allein hier gewesen, hatte seine Arbeit nicht einmal unterbrochen, um zu Hause die Kleider zu wechseln. Die Welt, in der er bisher gelebt hatte, ging ihrem Ende zu, so viel konnte er durch die Fenster des Labors feststellen. Seit dem frühen Morgen stand eine ölige Rauchfahne in der Ferne am Himmel. Offenbar versuchte niemand, ihren Ursprung auszulöschen.
    Behutsam drehte er an den Einstellungen. Tap tap. Top tap. Der Störungspegel der Tachyonen blieb konstant. Seit Tagen hatte er nun schon die neue Botschaft über den Neurohüllenprozeß gesendet und immer wieder die monotonen RA- und DEK-Signale einfließen lassen. Peterson hatte von seinem Londoner Büro aus neue biologische Daten durchgegeben. Der Mann hatte fahrig und gestreßt geklungen. Der Grund dafür lag im Inhalt der Informationen, soweit Renfrew sie verstand. Wenn die Forschergruppe in Kalifornien recht hatte, konnte sich die Substanz durch die Wolkenaussaat mit atemberaubender Geschwindigkeit ausbreiten.
    Geduldig drückte Renfrew auf die Morsetaste. Er hoffte, die Sendung richtig gebündelt zu haben. Es war verflixt schwierig zu wissen, ob man die Apparatur korrekt ausgerichtet hatte. Ein minimaler Irrtum in der Peilung brachte sie zum falschen x und damit zum falschen t. Einmal waren sie empfangen worden, soviel ging aus Petersons Bankschließfach hervor. Aber wie konnte er jetzt überprüfen, ob die pulsierenden Windungen eine Mikrosekunde zu langsam arbeiteten oder die Randfelder den Strahl einen Grad zu weit nach links lenkten? Er konnte nur den Eichungen vertrauen. Er schwebte in einer Welt, in der t Zeit war, in der Tee brackig schmeckte, in der x für Raum stand. X, die Unbekannte, schwebte vor ihm in der Luft, eine vergängliche Struktur.
    Er schüttelte sich. Der Laborstuhl drückte sein Gesäß. Er hatte jetzt weniger Fett dort, mußte Gewicht verloren haben. Ja, er brauchte Extra-Ballast.
    Tap tap tap. Die Morsekadenzen gingen hinaus. Tap tap.
    Vielleicht erklärte der Gewichtsverlust, warum sich der Raum vor seinen Augen kräuselte und ausdehnte. Herrgott, war er müde. Müder Zorn packte ihn. Er hatte biologische Daten, Koordinaten und sonstwas getaptaptapt, alles unpersönlich und – davon war er jetzt überzeugt – letztlich alles sinnlos. Öde und langweilig, das war es. Er griff zu dem Identifizierungskode, den er regelmäßig gesendet hatte, und tastete erneut ein. Aber diesmal fügte er ein paar persönliche Bemerkungen ein: wie die ganze Sache begonnen hatte, über Markhams Vorstellung, über Peterson, den starrgesichtigen Bastard, bis hin zu Markhams Absturz. Ein gutes Gefühl, alles zu senden, die Worte in Morseschrift umzusetzen, während sie ihm in den Kopf kamen. Er formulierte in normalen Sätzen, nicht in dem knappen Telegrammstil, den sie gewählt hatten, um die biologischen Informationen zu komprimieren. Es war eine Erleichterung, alles zu übermitteln, wirklich. Die ganze mistige Geschichte war sinnlos, die Strahlen ergossen sich in ein unvermutetes kosmisches Rattenloch – warum sollte er das die letzte Sendung nicht genießen? Tap tap. Hier ist meine Lebensgeschichte, Kumpel, geschrieben auf eine Nadelspitze. Tap tap. In die Leere hinein, tap tap.
    Aber nach einer Weile verließ ihn der Schwung. Er ließ die Schultern hängen.
    Der Störungspegel der Tachyonen stieg, auf dem Oszilloskop krümmten sich die Linien. Renfrew starrte auf den Schirm. Tap tap. Impulsiv legte er den Sendeschalter um. Zum Teufel mit der Vergangenheit für den Moment! Er beobachtete den Wirrwarr der Kurven, die sich tanzend überschnitten. Für kurze Momente lösten die Störungen sich in den Schlangenlinien auf dem Schirm auf. Signale, eindeutig. Jemand anders sendete.
    Regelmäßige Schübe von Wellen in gleichmäßigen Abständen. Renfrew schrieb sie auf.
     
    KONTAKTVERSUCH VON 2349 IN TAC
     
    Und dann wieder verwischende Störungen, die alles andere austilgten.
    Englisch. Jemand sendete in englisch. Aus dem Jahre 2349? Vielleicht. Oder möglicherweise mit Tachyonen im 234,9-Kilovoltbereich. Oder vielleicht nur ein Zufall, ein Jux.
    Renfrew schlürfte kalten Kaffee. Am Tag vorher
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