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Zeitfinsternis

Zeitfinsternis

Titel: Zeitfinsternis
Autoren: David S. Garnett
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ein, als sei er ein Metzger, der ein Rind zerteilt. Als er der Überzeugung war, die tödliche Wunde sei genug versteckt, stieß er das Messer in die Brust und klemmte es mit einem Stoffetzen fest.
    Fell war größer als der Narr gewesen, und letzterer fühlte sich mehr als lächerlich in seinem überlangen Umhang und den Stiefeln, die ihm zwei Nummern zu groß waren. Daran war nichts zu ändern. Bis auf eine blies er alle Lampen aus, und diese drehte er ganz klein. Er machte die Tür auf, vergewisserte sich, daß niemand da war, und brannte das Schloß heraus. Er schloß die Tür, so gut dies möglich war, und ging durch den Gang zur Treppe hin.
    Für Sir Guy von Angel war es die erste Schlacht. Er war an Stelle seines Bruders angetreten, den letzte Woche eine seltsame Lähmung seiner Gliedmaßen befallen hatte, der aber wunderbarerweise gerade noch rechtzeitig wieder genesen war, um ihm zum Abschied zuzuwinken. Guys Bruder hatte ihm auch seinen leichten Panzer und das Pferd geliehen, das sein Vater ihm vor noch nicht langer Zeit zu seinem zwanzigsten Geburtstag geschenkt hatte. Unglücklicherweise gehörte ihm das Roß nicht mehr, weil er es in einem Würfelspiel an Baron Munchbold verloren hatte. Das war am Vorabend der Schlacht gewesen, und der Baron würde sich seinen Gewinn abholen, sobald die Auseinandersetzung zu Ende war. Guy hatte auch in dem Kampfgeschehen keine wichtige Rolle zu spielen, da Attila XXI. sich ihn für seine Leibwache ausgesucht hatte. Also hatten Sir Guy und anderthalb Dutzend weitere Ritter nichts zu tun, als zuzusehen, denn wovor sollten sie denn den König schützen?
    Er starrte ungläubig auf die Szene, als die Lothringer von den schwarzen Riesen und Zwergen niedergemetzelt wurden, zu verblüfft, um irgend etwas zu denken oder zu tun, als zuzusehen. Als aber die Saarländer an der Reihe waren, verfolgt und getötet zu werden, drehte er sein Pferd herum und machte sich auf die Flucht. Der junge Sir Guy war jedoch an die Rüstung, die er trug, noch nicht gewöhnt – obwohl sie aus kaum mehr bestand als einem Helm und einer blauen Feder, einem dünnen Brustpanzer und Metallringen, die auf die alte Lederjacke seines Vaters an den Ärmeln festgenäht worden waren. Er verlor das Gleichgewicht und fiel aus dem Sattel, als sein Pferd von dem Kampfgetöse und den Geräuschen des Todes, die um es herum erklangen, scheute. Das rettete ihm das Leben. Das Visier seines Helms fiel herunter, und ohne seine Hände bekam er es nicht mehr hoch; seine Hände aber steckten in engen Handschuhen, die er ohne seine Zähne nicht herunterbekam. Er schloß einen Kompromiß, indem er sich auf die Knie erhob, sein Schwert aus der Scheide zog und durch die engen Sehschlitze starrte. Von der Gruppe um Attila, der selbst noch auf dem hohen geschnitzten Stuhl saß, von dem aus er die Schlacht beobachtet hatte, war nur noch sehr wenig übrig. Alle Pferde und Ritter waren entweder geflohen oder lagen tot am Boden, unter den letzteren der erste Minister und der Leibarzt des Königs. Ein ähnliches Schicksal hatte auch die Gruppe von Herolden und Pagen ereilt, denen zum größten Teil Pfeile aus dem Rücken ragten. Den meisten Angehörigen der Leibwache Attilas war es gelungen, recht weit zu fliehen, bevor sie getötet wurden. Der Hofnarr kauerte neben dem Holzthron Seiner Majestät bei den Lieblingsmätressen. Ihre seidenen Unterröcke waren zerknittert und durcheinander, und ihre parfümierten und gelockten Perücken lagen wie riesige zerquetschte Spinnen im Staub. Dann beugte König Attila sich plötzlich nach vorne, kippte mit seinem Stuhl um und fiel auf die drei anderen. Nur der Zauberer, Fell, stand noch und brachte ruhig jedes der schwarzen, menschenähnlichen Dinger um, das zu nahe kam oder einen Pfeil oder einen Speer auf die kleine Gruppe von Überlebenden richtete. Nach einer Weile waren alle geheimnisvollen Angreifer verschwunden.
    „Seltsam“, hörte Sir Guy den König sagen, gerade als es ihm gelang, sich den Helm herunterzuzerren.
    Die beiden Frauen standen auf, klopften sich den Staub von ihren Kleidern ab und setzten die Perücken wieder auf ihre rasierten Köpfe.
    Auch der Hofnarr stand auf. Fell drehte sich herum. Seine weiten Ärmel verdeckten den Zauberstab, den er in den Händen hielt. Und aus dem Leichenhaufen erhob sich einer der blaugekleideten Pagen, selbst nicht viel größer als die Bogenschützen, die seine Kameraden getötet hatten. Er hob hastig die Edelstahlkrone des Königs auf. Attila
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