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Zeitfinsternis

Zeitfinsternis

Titel: Zeitfinsternis
Autoren: David S. Garnett
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schaute um sich herum die Toten und Sterbenden an, um sich dann seinem Hofzauberer zuzuwenden.
    „Habt Ihr etwas davon gewußt?“
    Fell schüttelte den Kopf. „Ich kann Euch keine Erklärung geben, Sire.“
    Sie standen eine Zeitlang da, ohne etwas zu sagen. Die einzigen Geräusche um sie herum wurden durch die sterbenden Männer und Pferde und die Glöckchen an Kopf, Handgelenken und Knöcheln des Hofnarren, die bei jeder Bewegung klingelten, verursacht.
    Attila sah zu dem Ritter. „Wie heißt Ihr?“
    Guy schluckte nervös und sagte mit zitternder Stimme: „Sir Guy von Angel, Eure Majestät.“
    „Ihr scheint alles zu sein, was von meiner Armee noch übrig ist, Sir Guy“, sagte der König zu ihm. „Dafür und weil Ihr mich nicht verlassen habt, seid Ihr jetzt mein Erster Ritter.“
    „Ich danke Euch Sire“, sagte Sir Guy, beugte ein Knie und küßte die Hand, die Attila ausstreckte.
    Dann befand Attila dem bleibenden Pagen, er solle versuchen, ein paar Pferde zu finden. Nach kurzem Nachdenken schickte er ihm Sir Guy nach, um ihm zu helfen. Sir Guy dachte, daß dies für einen Ersten Ritter eine etwas niedere Aufgabe war, tat aber, was ihm befohlen wurde.
    Es freute ihn, Baron Munchbolds Leiche unter den Toten zu finden, aber fast sofort fühlte er sich wegen seiner Reaktion schuldig. Der Baron hatte Gilbert – so hieß Guys Pferd – in einem ehrlichen Spiel gewonnen. Verpflichtete Guy jetzt nicht seine Ritterehre dazu, das Pferd Munchbolds nächsten Verwandten zu übergeben? Er und der junge Page sammelten einige Pferde und führten sie zurück zu den anderen. Das Problem schien sich von selbst gelöst zu haben: Wenn Gilbert nicht gefunden werden konnte, dann konnte ihn auch keiner haben. Attila suchte sich ein Pferd aus, die anderen vier ebenfalls. Der tragbare Thron wurde auf ein sechstes Pferd gebunden, dessen Zügel der Page nahm. Sir Guy kletterte auf das letzte Tier.
    „Ihr“, sagte der König und machte eine Handbewegung zu Guy. „Sir Wie-auch-immer.“
    „Guy.“
    „Genau, Sir Guy. Da Ihr der einzige seid, der mir noch bleibt, ist es Eure Aufgabe, diesen Streit zu regeln. Findet die Person, die aus dem Dorf da entführt worden ist.“
    „Blancz“, warf der Zauberer ein.
    „Ja, richtig, Blancz. Findet sie und bringt sie zu mir. Verstanden?“
    „Jawohl, Sire“, sagte Sir Guy, der genau wußte, wie unklug es war, seinem Monarchen zu widersprechen.
    Dann wandten sich die übrigen sechs Überlebenden nach Osten, und Sir Guy von Angel blieb allein zurück. Er sah sich nervös um, als erwartete er, daß eines von den riesigen schwarzen Monstern sich aus der Erde erheben und einen Speer nach ihm schleudern würde. Er klemmte sich seinen Helm unter den Arm, ließ seine Lanze liegen, wo sie hingefallen war, da dies eine gute Gelegenheit war, sie loszuwerden, und stieß seinem Pferd die Sporen in die Weichen. Das Tier setzte sich langsam in Bewegung.
     
     
    Seit fast einem Jahr hatte Giuseppe Benini am Rande des Todes gelebt. Er hatte ständig erwartet, daß jemand Verdacht gegen ihn schöpfte, daß jemand herausbekam, wer er wirklich war. Er hatte seine Karten auf den Tisch gelegt, und trotzdem lebte er noch. Seinem Beispiel folgend kamen jetzt auch viele andere aus ihren Verstecken. Es würde jetzt nicht mehr lange dauern – aber weit lag der Tag zurück, an dem er damit angefangen hatte, oberirdisch zu leben und sich allmählich den Zugang zum Hof Attilas zu verschaffen. Selbst jetzt hatte er dem König seinen wirklichen Namen nicht angeben wollen, denn es bestand die Möglichkeit, daß ein Beobachter die Augen offenhielt, ihn überprüfte und herausfand, wie er desertiert war. Es war ihnen doch ganz sicher klar, daß etwas nicht stimmte. Trotzdem war nichts passiert. Erster wartete. Benini hoffte, daß er weiter warten würde… Denn die Zeit war auf ihrer Seite, nicht auf seiner.
    Für das, was er getan hatte, war ihm von dem Mann, welcher der nächste Erste Wächter werden sollte, versprochen worden, daß auch er selbst, Benini, Wächter würde. Aber Attilas neuer Zauberer hatte andere Pläne. Er sah keine Möglichkeit, wie das geplante Komplott Erfolg haben könnte, ohne daß das gesamte Gebäude des Beobachter-Wächter-Systems unwiederbringlich zerstört werden würde. Er hatte gesehen, was sich in Flandern abspielte, und er hatte Pläne, für sich selbst im Osten, an den Ufern des Rheins, ein bescheidenes Reich einzurichten. Benini wußte genau, daß er nicht der einzige war, der
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