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Zeitfinsternis

Zeitfinsternis

Titel: Zeitfinsternis
Autoren: David S. Garnett
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Gedanken gemacht. Wie es ihm zum Beispiel gelungen war, die beiden Mätressen des Königs zu retten, da sie ihm viel wichtiger waren als der Verlust seiner Armee. Listig. Schlau. Mehr wie ein Wächter als jemand von der Oberfläche.
    In der letzten Sekunde kam ihm die Erleuchtung. Gerade als die dünne Klinge zwischen seinen Rippen nach oben glitt.
    Erster. Er mußte einer von seinen Leuten sein. Er war hierhergeschickt worden, um ihn zu beobachten, und nachdem sich seine Gedanken nun in verräterischer…
    Und dann hatte das Messer sein Herz erreicht, und Martin Fell war nicht mehr Teil dieser Welt. Weder auf ihr noch unter ihr.
    Im Traum erzählt ihm M ASCHINE , daß die gesamte Armee Napoleons XIV. vernichtet ist, daß der König tot ist, ebenso wie Wächter Anders. Die Streitmacht Attilas XXI. hat das gleiche Schicksal erlitten, aber Wächter Fell ist es gelungen, den Monarchen vor dem Tod zu retten. Sie alle sind von humanoiden Robotern umgebracht worden: schwarz, sehr groß und sehr klein. Dann fragt Erster, was weiter passieren wird, und M ASCHINE antwortet, daß sie den Befehl dazu gegeben hat, die Frau, die aus dem Dorf entführt worden war, zu finden und hierherzubringen, und das wird gerade ausgeführt.
    Er wacht auf. M ASCHINE ist das, und er erzählt ihr seinen Traum.
    Nur, daß es kein Traum ist.
    Und während er ihn vergißt, erzählt M ASCHINE ihm davon.
    Also weiß er es schon, bevor Fell es ihm berichtet.
     
     
    Es verlief wie üblich.
    Aus dem Transporter herausklettern, die Tür zumachen, zusehen, wie er sich in dem Tunnel in Bewegung setzt und verschwindet, sich herumdrehen und den engen Gang entlanggehen, hineintreten, die Tür wieder zudrücken, das Licht am Eingang anschalten, Infrabrille aufhängen, vom grellen Licht blinzeln und müde Augen reiben.
    Zuhause oder ein kleines Nest in einem riesigen Bau? Ich ging durch zum Wohnzimmer. Meine Frau war das, meine zugeteilte Frau. Sie sah sich nicht einmal um, als ich hereinkam. Beschäftigt. Mit Zuschauen. Mit Spannen.
    Der Bildschirm füllte ein Viertel der hinteren Wand aus, und Sonya starrte gebannt darauf. Das Periskop. Den ganzen Tag beobachtete sie, und selbst wenn sie außer Dienst war, glotzte sie weiter auf die Bilder, die in Tausende von ,Heimen’ gesendet wurden. Im Augenblick war ein Mann zu sehen, der ein Feld pflügte: Das Pferd zog, und der Mann führte und lenkte von hinten. Kein Geräusch. Ein paar Sekunden, und es wechselte zum Inneren eines Hauses. Ich war gerade dabei gewesen, mich wegzudrehen, aber ich zögerte. Man wußte nie, was als nächstes kommen würde, und das war der Grund, warum so viele immer weiter zusahen – denn immer wieder bekam man so etwas wie jetzt. Das dunkle Schlafzimmer, die versteckte Kamera, die nackten Gestalten.
    Und als die Szene sich veränderte und eine Gruppe von Kindern zeigte, die ein unverständliches Spiel spielten, ging ich weg. Ich dachte voll Bitterkeit darüber nach, daß wir unsere Aufregungen nur aus zweiter Hand bekamen, knallte Schubladen zu und warf Türen ins Schloß. Ich suchte etwas, womit ich meinen Mund beschäftigen konnte. Leben aus zweiter Hand. Wann hatten Sonya und ich uns zum letzten Mal geliebt? Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern. Und wenn ich einen Unvereinbarkeitsbeschluß beantragen würde, was wäre dann? Dann wäre ich allein. Vollständig, total.
    Ich fand das, wonach ich vielleicht gesucht hatte, goß ordentlich etwas davon in ein Glas und kippte es mit ein paar geräuschvollen Schlucken hinunter. Dann zurück ins Wohnzimmer und den Schirm abgeschaltet. Sonya starrte mich an, als ich mich neben sie auf die Kissen setzte, ihr die Hände um die Schultern legte und sie an mich zog.
    Sie entzog sich mir mit einer Grimasse. „Du hast getrunken!“ beklagte sie sich und schaltete den Schirm wieder an.
    Aufstehen, die Brille auf, raus.
    Es verlief wie üblich.
     
     
    Er hat keine Ahnung, wo er herkommt, und er weiß nicht einmal, ob ihm das etwas ausmacht. M ASCHINE kann oder will es ihm nicht sagen. Er hat genausowenig Ahnung, wo M ASCHINE herkommt. Hat er sie selbst für sich bauen lassen? Oder war sie schon vorher da? Seine Erinnerung sagt ihm darüber nichts, genausowenig wie M ASCHINE dies tut. Er ist vollständig abhängig von ihr, aber irgendwann einmal muß er auch ohne sie ausgekommen sein. Wann? Wo? Alles, was mehr als ein paar Tage in der Vergangenheit liegt, ist für ihn verloren. M ASCHINE ist sein einziges Gedächtnis. Seine gesamte Existenz
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