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Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Titel: Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber
Autoren: Eva Völler
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hatte. Von seinem Bruder und seinem Vater war nichts mehr zu sehen. Ich war absolut sicher, dass sie nicht hinausgelaufen waren, das wäre mir trotz der Aufregung nicht entgangen.
    »Wo sind sie?«, fragte ich stammelnd.
    »Die Malipieros? Dort, wo auch Alvise ist«, sagte Jacopo bereitwillig. »Sie entstanden aus dem Nichts und wurden zu seiner Familie, als er in dieses Jahrhundert kam. Ihre Existenz endet mit der seinen, das ist Naturgesetz.«
    »Ist er wirklich in der Hölle?«, fragte ich entsetzt. »Habe ich ihn dahingeschickt?«
    »So sieht es aus.« Jacopo zuckte die Achseln. »Die Zeit kennt viele Wege und viele Welten und einige davon sind realer, als manch einer glauben würde.«
    Ich erschauderte, riss mich aber zusammen, als ich Clarissa stöhnen hörte. Hastig hockte ich mich neben sie. Alvises Dolch hatte sie an der Schulter getroffen, wo sich bereits ein großer Blutfleck ausgebreitet hatte.
    »Sie wird es überleben«, sagte Jacopo. »Übrigens, sie kann jetzt in ihre Zeit zurück, sie hat nämlich vorhin ihre Aufgabe erfüllt, indem sie dich vor dem Tode bewahrte.« Er lächelte Clarissa beinahe zärtlich an. »Hatte ich dir nicht versprochen, dass du bald heimkehren kannst?«
    Er wandte sich ab und humpelte mithilfe seiner Krücken zur Tür. Dort blieb er stehen und sah mich über seine Schulter hinweg an. »Leb wohl, kleine Sonne. Ich versuche in einer anderen Zeit mein Glück.«
    »Aber …« Schockiert darüber, dass der Urheber dieses ganzen Schlamassels einfach verschwand, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden, richtete ich mich auf, doch er hatte den Raum bereits verlassen.
    Sebastiano, José und Bartolomeo machten sich bemerkbar. Mit allerlei Gestöhne und wütenden Blicken gaben sie mir zu verstehen, dass sie endlich losgebunden werden wollten. Clarissa stöhnte ebenfalls – vor Schmerzen. Und Trevisan, Marietta, Dorotea und der Gondoliere stöhnten, weil sie aus ihrer Ohnmacht erwachten. Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass sie die Besinnung verloren hatten.
    »Was ist los mit ihnen?«, fragte ich niemanden im Besonderen. Clarissa antwortete mir. »Nur die Eingeweihten können den Übertritt sehen. Alle anderen verlieren das Bewusstsein.«
    »Ich dachte, das Fenster bricht zusammen, wenn jemand zusieht«, wandte ich ein, weil ich mich nur zu gut daran erinnerte, wie verzweifelt Bart und ich uns bemüht hatten, den Mönch in der Sakristei einzusperren, damit er das Zeitportal nicht zu sehen bekam.
    »Nicht, wenn es stark genug ist.« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern und sie war noch bleicher als vorher.
    »Du hast mir das Leben gerettet«, sagte ich leise.
    »Und du meines.«
    In ihrem Blick erkannte ich die Verzweiflung, in der sie jahrelang gelebt haben musste, ständig hin- und hergerissen zwischen Angst und Hoffnung. Jacopo hatte sie vermutlich damit erpresst, dass sie nur in ihre eigene Zeit zurückdürfe, wenn sie tat, was er ihr befahl. Hätte ich ihn doch nur zusammen mit Alvise zum Teufel schicken können!
    Ich befreite Marietta als Erste von ihren Fesseln, damit sie sich um Clarissa kümmern konnte. Mit Erster Hilfe kannte sie sich besser aus als ich.
    Danach schnitt ich Sebastianos Fesseln durch. Er spuckte den Knebel aus und fing an zu fluchen. »Du leichtsinniges, verrücktes, unberechenbares …« Dann hörte er auf, sich zu beschweren, riss mich in seine Arme und küsste mich.
    Bei den anderen, die immer noch gefesselt und geknebelt waren, rief dieses Verhalten unwillige Kommentare in Form von weiterem Stöhnen hervor und gemeinsam beeilten wir uns, Trevisan, den Gondoliere sowie José und Bart zu befreien.
    Dabei begingen wir den Fehler, nicht auf Dorotea zu achten. Sie war als Letzte zu sich gekommen, vermutlich deshalb, weil sie allem Anschein nach vom Stuhl gefallen war und sich dabei den Kopf angeschlagen hatte. Jedenfalls hatte sie eine ordentliche Beule an der Stirn, die vorhin noch nicht da gewesen war. Verständnislos blickte sie sich um. »Wo ist Alvise? Was habt ihr mit ihm gemacht?« Wut und Argwohn verzerrten ihr hübsches Gesicht, als sie sich aufrappelte und dabei das Gewehr in Anschlag brachte. »Keiner rührt sich!«, rief sie.
    »Leg das Ding weg, es könnte losgehen«, sagte Sebastiano.
    Sie fuhr herum und zielte auf ihn. Irgendwie – ob absichtlich oder aus Versehen – musste sie dabei an den Abzug gekommen sein, denn ein ohrenbetäubendes Krachen ertönte. Die Kugel schlug eine Handbreit über Sebastianos Kopf in die Wand und riss ein
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