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Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Titel: Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber
Autoren: Eva Völler
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hängte das Ruder in die Gabel.
    Trevisan hatte sich zu Marietta in deren Gondel gesetzt, ihr Bootsführer würde die beiden zurück in die Stadt bringen.
    Die rote Gondel nahm rasch Fahrt auf, José ruderte zügig und kraftvoll. Die Sonne war aufgegangen. Ihre Strahlen zauberten glitzernde Reflexe auf die Wellen und der Wind wehte mir das Haar ins Gesicht. Es war immer noch kalt, doch diesmal fror ich nicht, denn Sebastiano hielt mich in seinen Armen.

    Wir beide verbrachten die folgenden zwei Wochen bis zum nächsten Mondwechsel in Mariettas Haus. Sie hatte alle Feiern abgesagt, nicht etwa, weil sie neben den Sonntagen zusätzlichen Betriebsurlaub einführen wollte, sondern weil sie sich ziemlich in Trevisan verguckt hatte. Und er sich in sie. Schon auf der ersten gemeinsamen Gondelfahrt hatte es bei ihnen gefunkt, wie sie mir anvertraute. Bis dato hatten die beiden einander so gut wie gar nicht gekannt, denn Trevisan gehörte nicht zu den Männern, die in Kurtisanenhäuser gingen. Was Frauen betraf, führte er ein eher solides Leben, obwohl er alle Freiheiten gehabt hätte, seit er vor zwei Jahren Witwer geworden war. Offenbar hatte er jedoch lange um seine Frau getrauert. Erst jetzt war er wieder bereit, sich neu zu verlieben. Was prompt geschehen war, als er mit Marietta in der Gondel saß. Er umwarb sie nach allen Regeln der Kunst, ließ ihr kleine Geschenke zukommen, lud sie zum Essen ein und machte ihr Komplimente. Sie schwebte förmlich durch den Tag, und wann immer die Rede auf Trevisan kam, fingen ihre Augen an zu leuchten.
    Es gab niemanden, der es ihr so sehr gönnte wie ich, denn nichts hätte mich nachhaltiger davon überzeugen können, dass sie nicht hinter dem falschen Mann her war – Sebastiano.
    Der konnte nur für eine Frau der Richtige sein, und zwar für mich.
    Ich war, man kann es nicht anders sagen, verrückt nach ihm. Zwischen uns kam es trotzdem nicht zum Äußersten, obwohl es kein Problem gewesen wäre: Marietta war nicht prüde und auch sonst hätte es niemandem in unserer Umgebung etwas ausgemacht, wenn Sebastiano und ich das Bett geteilt hätten.
    Es war keineswegs so, dass ich es nicht gewollte hätte, im Gegenteil. Und ihm erging es nicht anders. Doch wir beide waren uns auch über die möglichen Folgen im Klaren. Die Verhütungsmethoden im fünfzehnten Jahrhundert waren lachhaft unzureichend, das hatte ich während meiner Arbeit in Matildas Kräuterhandlung oft genug mitbekommen. Also hatten wir uns entschieden zu warten. Das hinderte uns aber nicht daran, jeden Abend vor dem Kamin herumzuknutschen, bis wir es kaum noch aushielten. Es war, als hätten wir schon immer zusammengehört.
    Dasselbe konnte man über Clarissa und Bart sagen. Die beiden waren seit den schrecklichen Vorfällen auf der Giudecca ein Paar. Sie hatten beschlossen, zu heiraten und den Maskenladen zu übernehmen. Die alte Esperanza war auf Nimmerwiedersehen verschwunden, nicht einmal José wusste, wo sie sich aufhielt. »Diese Frau ist wie der Wind, sie weht durch alle Zeiten und ist mal hier und mal dort. Vielleicht sehen wir sie in dieser Zeit noch einmal wieder, vielleicht nicht. Den Laden könnt ihr gern haben, das würde sie gutheißen, soviel weiß ich.«
    Clarissa freute sich auf die Veränderung in ihrem Leben. Bei Matilda hätte sie ohnehin nicht länger bleiben können, denn die gab es nicht mehr. Sie war wie vom Erdboden verschluckt, genau wie die Malipieros. Nicht einmal die Kräuterhandlung hatte Jacopos Verschwinden überdauert. Dort, wo sich vorher der Laden befunden hatte, war jetzt eine Schneiderei. Kein Mensch konnte sich an Matilda erinnern, nur wir, die wir selbst aus einer anderen Zeit kamen oder aber wie Bart zu den Eingeweihten gehörten. Matilda war eine jener nachträglichen Existenzen gewesen, die zur besseren Integration der Zeitumsiedler geschaffen wurden – eine eigene Daseinsberechtigung gab es für sie nicht. Das Schicksal löschte sie unbarmherzig aus, wenn der Grund für ihre Anwesenheit entfallen war.
    Clarissa hatte über ihr Verschwinden geweint, denn trotz Matildas raubeiniger Art hatte sie an ihr gehangen. »Sie hat von alldem nichts gewusst, das könnte ich beschwören«, sagte sie unter Tränen.
    Sie litt auch darunter, dass sie jahrelang so abhängig von Jacopo gewesen war. »Immer wieder versprach er mir, bald könne ich in meine Zeit zurück. Er tat so gütig und er war meine einzige Hoffnung! Mal glaubte ich ihm, mal nicht. Es war furchtbar, ein einziges Hin und
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