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Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Titel: Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber
Autoren: Eva Völler
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lagen José und Bartolomeo, beide geknebelt und wie Pakete mit Stricken verschnürt und aneinander gefesselt. Trevisan saß in einer Ecke, ebenfalls geknebelt und das Gesicht grün und blau geschlagen. Auch er war an Händen und Füßen gefesselt und sah aus, als hätte er wochenlange Entbehrungen hinter sich.
    Dorotea hatte es sich auf einem Stuhl bequem gemacht. Auf dem Schoß hatte sie das Gewehr liegen, den Pfahl hatte sie seitlich gegen den Stuhl gelehnt. Ihrem Gesichtsausdruck nach schien ihr die ganze Situation außerordentlich gut zu gefallen.
    Alvises Vater und sein Bruder standen beim Fenster und sahen uns erwartungsvoll an.
    Zum Schluss fiel mein Blick auf Clarissa. Wie Dorotea saß sie auf einem Stuhl, ungefesselt natürlich. Schließlich war sie eine von den Bösen. Doch besonders zufrieden sah sie nicht aus. Im Gegenteil, sie wirkte todunglücklich. Ihr Gesicht war kreidebleich und das lange blonde Haar hing ihr ungepflegt über die Schultern.
    Alvise nickte Jacopo zu. »Gib Anna deinen Dolch, damit wir anfangen können.«
    »Du bist krank«, sagte ich.
    Jacopo drückte mir tatsächlich sein Messer in die Hand. Es war so scharf geschliffen wie ein Skalpell.
    »Am besten fängst du mit Trevisan an«, empfahl Jacopo mir.
    »Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass sie es wirklich tut!«, höhnte Alvise.
    »Sag das nicht.« Rasch trat ich hinter Trevisan – und schnitt ihm die Handfesseln durch.
    Alvise brüllte vor Wut auf. »Ich wusste es! Dafür stirbst du, und zwar gleich als Erste!« Mit gezücktem Dolch stürzte er auf mich los, ebenso wie sein Vater und sein Bruder. Ich sah ihre Schwerter im Kerzenschein blinken.
    Trevisan konnte mir nicht helfen. Seine Hände waren zwar jetzt frei, doch er hatte kaum genug Kraft, sie hinter seinem Rücken hervorzuziehen, ganz abgesehen davon, dass er noch an den Füßen gefesselt war. Dennoch versuchte er, sich schützend vor mich zu werfen, als die Malipieros zu dritt auf mich losgingen.
    Die Rettung kam von völlig unerwarteter Seite. Clarissa war aufgesprungen und stellte sich Alvise in den Weg, was dazu führte, dass auch sein Vater und sein Bruder für einen Moment innehielten und zusahen, wie Alvise mit einer fast nachlässigen Bewegung Clarissa niederstach. Mit einem Schrei brach sie vor seinen Füßen zusammen.
    Anschließend wandten sich alle drei wieder mir und Trevisan zu. Ich machte mich zum Sterben bereit und schloss die Augen, wie schon einmal, denn ich wollte Alvises Anblick nicht mit in den Tod nehmen.
    »Keine Abschiedsworte, kleine Katze?«, höhnte er.
    »Doch«, stieß ich voller Inbrunst hervor. »Fahr zur Hölle!«
    Ich spannte mich an, aber der erwartete Dolchstoß kam nicht. Verwirrt machte ich die Augen wieder auf. Alvise starrte den Lichtschein an, der aus der Tasche seines Wamses drang und seine ganze Vorderseite zum Leuchten brachte, als sei er eine lebende Laterne.
    »Was …?«, stammelte er.
    »Zeit für dich, dorthin zu gehen, wohin das Mädchen dich gerade geschickt hat«, hörte ich Jacopo sagen. »Dachtest du etwa, die Maske hilft immer dem, der sie besitzt? Nein, sie nützt nur dem, dem sie gegeben wird, niemals aber dem, der sie sich nimmt!«
    »Hilf mir!«, befahl Alvise. Seine Stimme klang gepresst, als würde ihm die Luft aus den Lungen gedrückt.
    Jacopo stützte sich auf seine Krücken und schüttelte den Kopf. »Die Voraussage hat sich erfüllt. Das Mädchen hat geholfen, den Feind zu töten. Meinen Feind. Dich! Und zwar hier und jetzt, so war es vorherbestimmt.«
    »Das kann nicht sein«, keuchte Alvise. »Du mieser Betrüger!«
    »Der Betrüger bist du. Will mich loswerden, der Bengel, weil er mich nicht mehr braucht, ist das zu fassen! Aber das war ein Irrtum. Ein tödlicher Irrtum.« Lakonisch schloss Jacopo: »Alles Gute in der Hölle.«
    Alvise schrie auf und versuchte, in seine Tasche zu greifen, doch das Licht wurde immer greller und breitete sich aus, bis es Alvise völlig umschloss und seine Gestalt verschwimmen ließ. Schließlich schrumpfte es wieder, allerdings nicht ganz so schnell, wie es sich vorher ausgebreitet hatte. Für einen Augenblick meinte ich zu erkennen, dass Alvise sich im Inneren der Lichthülle hin und her wand, als wollte er ausbrechen, doch schon einen Herzschlag später implodierte das Licht mit einem lauten Knall und zurück blieb – nichts.
    Wie gebannt starrte ich die leere Stelle an, deshalb bemerkte ich erst mit Verzögerung, dass er nicht der Einzige war, der sich in Luft aufgelöst
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