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Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Titel: Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber
Autoren: Eva Völler
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Mutter.
    »Wegen des möglichen Anachronismus.«
    Anachronismus! Ich meine – hallo?! Wer sollte so was interessant finden? Gut, ich hätte natürlich fragen können, was das bedeutet, aber meine Eltern blickten mich bei dieser Art von Fragen immer an, als könne ich unmöglich ihre Tochter sein, sondern eher jemand, der aus Versehen zur Familie gehörte. Mein Vater war Professor und meine Mutter hatte einen Doktortitel, und ich hatte gerade die elfte Klasse wiederholt, mit Noten, die nicht viel besser waren als in der zehnten. Besonders nicht in Mathe.
    Vanessa : Werde heute noch neues Album bei Schüler-VZ einrichten, Titel: Ex zum Abgewöhnen. Und da stelle ich dieses eine Foto von ihm rein, das du während der Paris-Fahrt im Bus aufgenommen hast. Das, auf dem er mit offenem Mund pennt. Oder vielleicht auch das, das du bei meinem letzten Geburtstag gemacht hast. Als er gerade in die Rosen kotzt.
    »… könnte es sich laut Mister Bjarnignokki auch um einen Scherz von jemandem aus dem Team handeln, vielleicht von einem der Studenten. Denn es scheint fast so, als beginne der Brief mit dem Wort Hallo .«
    Vanessa : Oder das eine Foto von der letzten Party, von dem du meintest, da sähe er aus wie Gollum.
    »Hallo?«, fragte meine Mutter erstaunt.
    »Ganz recht, hallo«, meinte Papa.
    Rasch blickte ich auf. »Ich hör die ganze Zeit zu, ehrlich.«
    »Kaum zu fassen«, sagte Mama kopfschüttelnd.
    Das bezog ich auf mich und schaltete schnell den iPod aus.
    Gleich darauf brachte der Kellner das Abendessen und Bjarnignokki und Gollum waren vergessen.

    Am nächsten Morgen ging ich wie immer eine gute Stunde nach meinen Eltern frühstücken. Schließlich hatte ich Ferien. Schon vor der Reise hatte ich klargestellt, dass ich nicht vor neun Uhr aufstehen würde. Meine Eltern mussten arbeiten, ihnen war es egal, dass ich ausschlief.
    Der dicke Typ, der drei Tage zuvor mit seinen Eltern ins Hotel gekommen war, kam in den Frühstücksraum und blickte sich verstohlen um. Als er mich sah, wurde er rot und schaute schnell zur Seite. Dasselbe wie jeden Morgen, nur dass er diesmal ohne seine Eltern erschien.
    Ich beugte mich über meinen Toast und tat so, als hätte ich ihn nicht gesehen. Zu meinem Schrecken kam er jedoch an meinen Tisch, wo er stehen blieb und tief Luft holte.
    »Hi, ich bin Matthias«, stieß er hervor. »Ist hier noch frei? Kann ich mit dir frühstücken?«
    Ich war so verdattert, dass ich unwillkürlich nickte. Erst als er sich aufseufzend auf den Stuhl mir gegenüber plumpsen ließ, wurde mir klar, was das bedeutete: Er war auf meine Gesellschaft aus. Das hatte mir noch gefehlt!
    »Bist du schon lange hier?«, fragte er.
    »Zwei Minuten«, sagte ich.
    »Ich meinte, seit wann du im Hotel bist«, sagte er.
    »Seit zehn Tagen.«
    »Du bist mit deinen Eltern hier, oder?«, wollte er wissen.
    Als ich nickte, fuhr er fort: »Ich auch.«
    »Ich weiß. Ich sah euch zusammen einchecken. Und frühstücken. Kommen sie gleich noch zum Frühstück?« Hoffnungsvoll blickte ich zur Tür. Wenn seine Eltern auftauchten, wäre er abgelenkt, das könnte ich ausnutzen und rasch verschwinden.
    »Nein, sie haben schon gefrühstückt. Heute haben sie Termine, deshalb bin ich alleine hier. Ich habe heute noch nichts vor.« Er sah mich hoffnungsvoll an.
    Ich ignorierte es. »Was für Termine haben deine Eltern denn?«, fragte ich.
    »Ach, langweilige vermutlich. Mein Vater ist Kurator und hat bei der Biennale zu tun. Meine Mutter geht mit, weil sie seine Arbeit wichtig findet. Und weil sie dort wichtige Leute treffen kann. Sie mag wichtige Leute. Sie sucht alles über sie im Internet raus.«
    »Ach ja«, sagte ich, lustlos an meinem Toast knabbernd.
    »Meine Mutter sagte, dein Vater sei einer der führenden Archäologen auf dem Gebiet spätmittelalterlicher Kirchen- und Palastkultur. Und deine Mutter ist Physikdozentin und nimmt hier an einem internationalen Kongress teil. Und ihr seid aus Frankfurt.«
    »Ich weiß«, sagte ich.
    »Äh … klar.«
    Wir schwiegen eine Weile. Ich aß meinen Toast auf, spülte mit Tee nach und überlegte, mit welcher eleganten Ausrede ich am besten verschwinden konnte.
    Aber irgendwie klappte es nicht. Vielleicht hing es damit zusammen, dass er mir leidtat. Er trug teure Klamotten und angesagte Sneakers, aber die änderten nichts daran, dass er wie ein übergewichtiger Loser aussah.
    Matthias war drei Monate jünger als ich und kam aus München, wo er noch zur Schule ging. Wie ich hatte er
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