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Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Titel: Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber
Autoren: Eva Völler
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gewaltiges Loch in den Putz. Rauch vernebelte die Sicht und gleichzeitig verbreitete sich ein grässlicher Gestank nach Pulver und Schwefel. Absurderweise erschien es mir wie ein nachträglicher Salut zu Alvises Höllenfahrt.
    Als sich der Pulverdampf verzog, stieß Marietta einen entsetzten Schrei aus. Ich folgte ihrer Blickrichtung und sah Dorotea auf dem Boden liegen, doch bevor ich feststellen konnte, ob das, was sich um ihren Kopf herum ausbreitete, ihre rote Haarflut war oder vielleicht doch eher Blut, trat Sebastiano dazwischen und barg mein Gesicht an seiner Brust. »Sieh nicht hin.«
    »Nun weiß ich wenigstens, wofür dieser Holzpflock wirklich gut war«, sagte Marietta. Ihre Worte klangen gewollt burschikos, doch ihre Stimme zitterte. »Mitten durch den Hals. Unfassbar. Sie wurde direkt auf die Spitze geschleudert. Wie war das möglich?«
    »Der Rückschlag hat sie umgeworfen«, sagte José. »Damit ist nicht zu spaßen.« Er bückte sich nach dem gelben Tuch, das verwaist auf dem Boden lag, und warf es über Doroteas Oberkörper. »Wir sollten sie gleich begraben, damit niemand dumme Fragen stellt.«
    »Wenigstens wird sie mit diesem Pflock im Hals nicht aus dem Grab steigen und zur Wiedergängerin werden«, fügte Bartolomeo mit einem Anflug von Sarkasmus hinzu.
    Seine Worte brachten etwas in mir zum Klingeln, es kam mir fast vor, als unterhielte ich mich nicht zum ersten Mal über das Thema, doch dann wich dieser flüchtige Eindruck der grenzenlosen Erschöpfung, die meinen Kopf leer und meine Glieder schwer machte.
    Nur am Rande bekam ich mit, wie die Männer sich darüber berieten, ob wohl noch Helfershelfer der Malipieros im Haus seien, und dabei erfuhr ich, ebenfalls am Rande, dass José im Schwertkampf den Glatzkopf getötet hatte, der mir den Sack über den Kopf gestülpt hatte. Danach hatten sich zwei weitere Handlanger der Malipieros auf José geworfen, ihm ihre Schwertspitzen auf die Brust gesetzt und so Sebastiano und Bartolomeo gezwungen, sich zu ergeben.
    »Diese Feiglinge sind gewiss längst über alle Berge«, sagte José.
    Trotzdem entschieden sich die Männer, vorsichtshalber nachzuschauen. Der Gondoliere erbot sich, als Verstärkung mitzukommen. Bei der Gelegenheit nahmen sie auch gleich Doroteas sterbliche Überreste mit. Ich vermied es, die Stelle anzusehen, wo sie gelegen hatte.
    Stattdessen setzte ich mich zu Trevisan, der die ganze Zeit schweigend in seiner Ecke gehockt hatte. »Alles in Ordnung?«, fragte ich.
    Er nickte stumm. Trotz der tiefen Ringe unter seinen Augen und der Prellungen in seinem Gesicht vermittelte er immer noch diesen Ausdruck von Souveränität und Lebenserfahrung, der ihn so anziehend wirken ließ.
    Nachdem er mich eine Weile stumm angeblickt hatte, meinte er: »Ich weiß nicht, was hier los war und warum wir plötzlich reihenweise die Besinnung verloren haben. Doch eines bezweifle ich nicht: Ihr seid das tapferste Mädchen, das ich je kennen gelernt habe.«
    Ich widerstand nur mit Mühe dem Impuls, schrill aufzulachen. Tapfer! Wenn er wüsste, wie nah dran ich gewesen war, mir in die Hose zu machen vor Angst! Oder vielmehr nicht in die Hose, für Frauen gab es hier ja noch keine. Umso peinlicher, wenn es mir tatsächlich passiert wäre. Auf alle Fälle hatte ich wirklich sehr dicht davorgestanden.
    »Ihr habt mir das Leben gerettet«, sagte Trevisan. »Wenn ich Euch einen Wunsch erfüllen kann, so sprecht ihn aus!«
    »Diesen Wunsch habt Ihr mir schon erfüllt, indem Ihr am Leben geblieben seid.« Das war nichts weiter als die Wahrheit. Er war der einzige Mensch in Venedig, dem es gelingen konnte, die unheilvollen Beschlüsse, die der Große Rat unter Alvises schädlichem Einfluss gefasst hatte, wieder rückgängig zu machen. Die Zukunft würde so werden, wie ich sie kannte, und wenn ich das nächste Mal in meine eigene Zeit zurückreiste, würden mich keine Schutthalden erwarten, sondern meine Eltern.
    Marietta hatte Clarissa verbunden und kurz darauf kamen die Männer zurück.
    »Wir können aufbrechen«, sagte Sebastiano.
    Bart nahm Clarissa in seine Arme und hob sie vorsichtig auf. Sie biss die Zähne zusammen vor Schmerzen, tat aber keinen Mucks.
    »Was hast du dir nur dabei gedacht«, sagte er sanft.
    Sie antwortete ihm nicht, doch ihr Blick hielt den seinen fest, als er sie zum Boot trug.
    Sebastiano stieg hinter den beiden in die rote Gondel und reichte mir die Hand, um mir ebenfalls hineinzuhelfen. José bezog Aufstellung auf der Abdeckung und
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