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Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Titel: Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber
Autoren: Eva Völler
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Ich erkannte sofort, dass es der Brief war, den ich in der Dachkammer von Monna Faustina geschrieben hatte. Mit offenem Mund hörte ich zu, wie die Männer darüber fachsimpelten. Natürlich wieder auf Englisch. Ich verstand nur einen Bruchteil davon, aber es lief wohl darauf hinaus, dass man sich nicht über die Echtheit einigen konnte, weil ebenso viele Argumente dafür sprachen wie dagegen.
    Inhaltlich interessierte mich das Gespräch nicht sonderlich. Schließlich wusste ich ja schon, dass das Dokument echt war, immerhin hatte ich es selbst vor fünfhundertzehn Jahren fabriziert. Ich lauschte bloß Sebastianos Stimme. Sein Englisch hatte einen aufregenden italienischen Akzent, es klang unglaublich sexy, leicht kehlig und mit vielen gerollten Rs. Meine Besorgnis wegen etwaiger Verständigungsprobleme löste sich buchstäblich in Wohlgefallen auf. Ich hätte ihm stundenlang zuhören können!
    Einmal, als gerade niemand hinsah, warf Sebastiano mir einen Blick über die Schulter zu und zwinkerte bedeutungsvoll.
    Ich lächelte zögernd. »Ich gehe mal kurz an die frische Luft«, erklärte ich unbeholfen auf Englisch.
    Ich wartete auf dem Gang. Es dauerte keine dreißig Sekunden, bis Sebastiano mir hinterherkam.
    »Ich sagte doch, dass wir uns finden«, meinte er. »Übrigens, dein Akzent törnt mich total an.« Er griff nach meiner Hand und zog mich ein Stück den Gang entlang. Gleich darauf öffnete er eine Tür und führte mich in ein leer stehendes Büro.
    Er schloss hinter sich ab und dann fielen wir uns ohne Umschweife in die Arme. Er küsste mich, bis ich mich fühlte wie Karamell in einer heißen Pfanne und zwischendurch flüsterte er mir feurige italienische Worte ins Ohr. Ich verstand kaum etwas davon, aber das erhöhte die Wirkung eher noch. Ich zerschmolz innerlich, wenn er so mit mir redete. Es verschaffte mir eine intensive Vorstellung davon, was der Begriff Latin Lover wirklich bedeutete.
    »Ich schreibe mich nächsten Monat für ein Auslandssemester in Frankfurt ein«, flüsterte er mir ins Ohr. Mit vielen wundervoll gerollten Rs.
    »Oh«, sagte ich schwach.
    »Und dann lerne ich Deutsch.«
    »Bitte nicht.«
    »Was? Ich soll nicht nach Frankfurt kommen?«
    »Doch, natürlich sollst du das.« Ich grinste glücklich. »Aber Deutsch musst du meinetwegen nicht lernen.«

EPILOG
     
    D amit wäre die Geschichte eigentlich zu Ende erzählt – fast. Die kurze Episode, die sich später am selben Tag ereignete, ist allerdings unbedingt noch erwähnenswert, deshalb will ich sie hier nicht auslassen.
    Nachdem ich Papa zurück ins Hotel begleitet hatte, kümmerte ich mich um meine Post, schrieb einen Haufen Mails, unter anderem an Vanessa, der ich empfahl, den blöden Gollum zu vergessen und sich lieber als nächsten Freund einen Italiener zuzulegen. Danach machte ich mich zu einem Stadtbummel auf.
    Mein erstes Ziel war eine Enttäuschung. Mariettas Haus gab es nicht mehr. An der Stelle stand ein Gebäude, das höchstens hundert Jahre alt war. Dafür war der Palazzo von Trevisan noch wunderbar erhalten. Ich blickte an der Fassade hoch und stellte mir vor, dass Marietta und Trevisan hier beide bis in ihr hohes Alter viele glückliche Jahre verbracht hatten.
    Theoretisch hätte Sebastiano in den Stadtarchiven nach ihnen forschen können, doch wir hatten schon darüber gesprochen, dass wir uns damit vielleicht schöne Illusionen zerstört hätten. In früheren Jahrhunderten hatten die Menschen nun mal eine sehr viel kürzere Lebenserwartung als heute.
    Auf dem Weg zu meinem nächsten Ziel fiel mir ein Plakat mit einer Ausstellungsanzeige ins Auge. Irgendein Detail daran weckte meine Aufmerksamkeit. Es dauerte einen Moment, bis ich dahinterkam, dass es der Name war.
    In fetten Lettern stand dort schwarz auf weiß: Matteo Tassini.
    Wie angewurzelt blieb ich stehen und sah mir das Plakat genauer an. Über dem Namen war ein gemaltes Porträt abgebildet, bei dem ich die Augen zusammenkneifen und scharf hinsehen musste, bis ich mir sicher war: Das musste Matthias Tasselhoff sein! Auf dem Bild war er bestimmt drei Mal so alt wie bei unserem letzten Treffen, aber er war es!
    Mühsam reimte ich mir den Sinn des übrigen Textes zusammen. Es ging um eine historische Ausstellung, so viel war klar. Nach und nach fügte sich alles zu einer passenden Übersetzung zusammen. Die Überschrift lautete: Der berühmteste Dentist seiner Zeit.
    Darunter, etwas kleiner: Der venezianische Pionier der Mundhygiene. Seine Schriften, seine
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