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Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Karsten Flohr
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Tür des Salons geklopft hatte.
    Als er seine Entschuldigungen vorgebracht hatte und zur Seite getreten war, beobachtete Charlotte, wie Helène von Schwemer sich langsam aus dem großen Sessel erhob, in dem sie offenbar geschlafen hatte, sich ihr zuwandte – und dann mit einem Aufschrei auf sie zulief. Sie warf Charlotte beinahe um, als sie sie in ihre Arme schloss. Sie nahm ihr Gesicht zwischen ihre Hände und starrte sie an, als könne sie nicht glauben, was sie sah. Dr. Antosch hatte sich bereits zurückgezogen und die Tür geschlossen, als Helène ihre Fassung wiedererlangte. Dann erst bemerkte sie Charlottes Äußeres und deutete auf die Schwestertracht: »Wieso – warum trägst du das?«
    Charlotte lächelte und strich ihren Rock glatt. »Nun ja, weil ich Krankenschwester bin«, sagte sie mit erkennbarem Stolz. »Ich hoffte, das sähe man mir an.«
    Helène lachte kurz: »Natürlich, natürlich! Aber wieso? Du, Krankenschwester? Seit wann? Und was machst du ausgerechnet hier?«
    Charlotte erzählte ihre Geschichte, und Helène hörte ihr reglos zu. »Wo ist Robert jetzt?«, fragte sie atemlos, als Charlotte geendet hatte. »Geht es ihm besser?«
    Charlotte zuckte die Achseln. »Ich nehme es an. An die Front werden sie ihn sicherlich nicht mehr geschickt haben.«
    Helène nickte. »Wenigstens etwas. Wenn ich nur wüsste, wo Wilhelm ist …« Fragend sah sie Charlotte an, als hielte sie sie für allwissend und ergriff dann ihre Hand. »Und wenn er hier jetzt hereinkäme?« fragte sie.
    »Ich glaube, es würde ihm gefallen, was er sähe – ich meine das, was ich tue.«
    »Sicher«, entgegnete Helène, »es ist aller Ehren wert, aber …«
    Charlotte unterbrach sie und schüttelte den Kopf: »Um die Ehre geht es nicht. Es ist mehr: Es ist mein Leben. Dieser Krieg wird irgendwann vorüber sein, aber es gibt immer irgendwo Menschen, die ohne Hilfe nicht leben können. Für sie werde ich da sein, ihnen habe ich mein Leben gewidmet. Vielleicht gehe ich wieder nach Afrika, wenn dies alles vorüber ist.«
    »Aber du – du bist verlobt!«
    Charlotte seufzte. »Ja, ich weiß. Aber ich bin nicht mehr die, die ich einmal war. Und ich weiß, dass er es gutheißen wird. Er hat es mir bereits gesagt.«
    »Wann?«, fragte Helène erstaunt.
    »Damals, bei unserem Besuch in Ihrem Haus, beim Abschied an der Kutsche. Er hat es nicht direkt gesagt, aber er gab es mir zu verstehen.«
    Helène sah die entschlossene, junge Frau prüfend an, die kaum noch etwas gemein hatte mit der scheuen Prinzessin, die am Arm ihres Vaters die Komplimente der Gratulanten entgegennahm.
    *
    Charlotte wandte sich zur Treppe, um nach oben in den Schlafraum der Schwestern zu gehen, als sie eine junge Frau mit einem Kleinkind bemerkte, die eilig durch die Halle auf sie zukam. »Ist sie drinnen?«, fragte sie und deutete auf die Tür, die Charlotte gerade geschlossen hatte.
    »Ja«, erwiderte Charlotte, »ich hoffe, sie findet ein wenig Schlaf. Sie ist am Ende ihrer Kräfte.«
    Adèle sah unschlüssig zu Boden. »Meine Tochter«, sagte sie dann leise, »sie hat Krämpfe und Fieber. Ich habe keine Medikamente und weiß nicht, wie ich ihr helfen soll.«
    Charlotte trat näher an sie heran. »Darf ich?« Sie schlug die Decke zurück, die Francine bedeckte. »Welch ein süßes Baby!«, sagte sie und strich über Francines Wange. Dann legte sie dieHand auf die Stirn des Kindes. »Sie haben recht, sie hat hohes Fieber. Kommen Sie mit mir.«
    »Wer sind Sie, ich habe Sie noch nie hier gesehen?«, fragte Adèle, als sie die Treppen hinaufstiegen.
    »Ich bin eine der Krankenschwestern dieses Lazaretts«, antwortete Charlotte, »allerdings erst seit heute.«
    »Wohin gehen wir?«
    »Ich bringe Sie ins Schwesternzimmer und hole dann einen Arzt. Hier unten können wir die Kleine nicht behandeln – die vielen Verwundeten, Sie verstehen …«
    Das Schwesternzimmer stellte sich als Wilhelms ehemaliger Schlafraum heraus: Sechs Betten standen dicht nebeneinander. Charlotte entzündete eine Lampe und sagte leise: »Setzen Sie sich auf mein Bett, ich bin gleich wieder zurück.«
    Wenige Minuten später kam sie mit Dr. Antosch zurück. Ohne zu zögern, nahm er Francine aus Adèles Armen, legte sie auf das Bett und untersuchte sie. Er drückte auf ihren Bauch, horchte ihre Lunge ab, sah in Mund und Ohren.
    »Ich bin kein Kinderarzt«, sagte er schließlich zu Adèle, »aber ich habe jüngere Geschwister, deshalb sind mir diese Symptome nicht unbekannt. Ich vermute, es ist
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