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Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Karsten Flohr
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das Drei-Tage-Fieber. Seit wann hat sie diese Symptome?«
    Adèle sah ihn verblüfft an. »Wie Sie sagen: seit drei Tagen.«
    Dr. Antosch nickte und strich über Francines runden Bauch. »Sie wird morgen und übermorgen noch einen roten Hautausschlag bekommen, dann ist es überstanden. Das kriegen alle Kinder irgendwann, da hilft nur abwarten. Und viel Flüssigkeit! Bekommt sie noch Muttermilch?«
    Adèle nickte. »Dann geben Sie ihr für einige Tage stattdessen möglichst viel Wasser, Milch treibt das Fieber nur weiter in die Höhe.«
    Adèle sah zu Charlotte. »Danke«, sagte sie, »ich hätte nicht gewusst, was ich tun soll.«
    »Möchten Sie heute Nacht hierbleiben?«, fragte Charlotte. »Es ist dunkel draußen – wo wohnen Sie überhaupt?«
    Adèle deutete zum Fenster. »Man kann es von hier aus sehen:Das Haus meines Vaters steht am Ende des Grundstücks«, antwortete sie. »Er ist der Verwalter des Weinguts von Madame von Schwemer.«
    Charlotte sah sie aufmerksam an. »Und wo ist Ihr Vater?«
    »Ich gäbe viel darum, das zu erfahren«, sagte Adèle.
    »Und ihr Vater?« Charlotte deutete auf das Kind, das jetzt still auf dem Rücken lag. »Wo ist er?«
    »Auch das weiß ich nicht.«
    Die Tür des Zimmers wurde erneut geöffnet. »Ich sah einen Arzt hier hineingehen«, sagte Helène, »und da dachte ich …«
    Es verschlug ihr die Sprache, als sie Adèle und Charlotte zusammen sah. Sie wurde bleich und blickte von einer zur anderen. Charlotte trat neben sie und ergriff ihren Arm: »Ist Ihnen nicht gut?«
    Helène atmete tief durch. »Ihr habt euch also schon bekannt gemacht …« Die beiden jungen Frauen sahen sich fragend an.
    *
    Die Eroberung der zweiten Forts brachte ebenfalls nicht den erhofften Durchbruch. Im Gegenteil: Die Aufopferungsbereitschaft der Verteidiger von Fort Vaux war bereits nach wenigen Tagen Legende und stärkte die Kampfmoral der französischen Soldaten derart, dass sie fast täglich Gelände zurückeroberten. Die Kämpfe tobten mit immer größerer Heftigkeit, die Lazarette reichten nicht aus, um die Verwundeten zu versorgen. Auch in Lagarde wurde es täglich enger. Das Rote Kreuz bat Helène um Erlaubnis, in den Stallungen und Kellerräumen weitere Betten aufstellen zu dürfen. Innerhalb weniger Tage verdoppelte sich die Zahl der Patienten.
    Genau wie Dr. Antosch vorausgesagt hatte, war Francine nach kurzer Zeit wieder fieberfrei. Adèle, die von Charlotte beeindruckt war, bot dem Lazarett ihre Hilfe an, und bat Helène, sich während der Stunden, in denen sie den Schwestern zur Hand ging, um das Kind zu kümmern – eine Bitte, der diese gern nachkam.
    Von nun an erschien Adèle früh am Morgen im Lazarett. Sie half den Ärzten, wenn sie neu eingetroffene Verwundete gleichnach der Ankunft noch auf den Lastwagen untersuchten und entschieden, was weiter mit ihnen geschehen solle. Sie war entsetzt über den Anblick der Soldaten, die notdürftig verarztet auf der Ladefläche lagen, und bemerkte erstaunt, wie viele dunkelhäutige Männer sich unter den Verwundeten befanden. »Die Inder sind am schlimmsten dran«, erklärte Charlotte ihr. »Sie werden von den Engländern nach Europa gebracht und an den besonders gefährlichen Abschnitten der Front eingesetzt. Es überlebt fast keiner von ihnen, es ist schon eine Seltenheit, wenn sie unter den Verwundeten sind.«
    »Und die Afrikaner?«, fragte Adèle.
    »Die sprechen gut deutsch oder französisch, je nachdem, aus welchem Land sie stammen. Ich war selbst in Togo und habe dort erlebt, wie streng die Kinder in der Schule unterrichtet werden …«
    »In Togo?«, unterbrach Adèle sie und sah Charlotte erstaunt an.
    »Ja, dort habe ich mich entschlossen, Krankenschwester zu werden. Eigentlich hatten meine Eltern ganz andere Dinge mit mir vor. Sie haben mich sogar verlobt – aber das erzähle ich Ihnen ein anderes Mal.«

Bilder
    Das Tor zum Hof des Kolonialamtes am Karlsbad 10 war geschlossen. Die Fensterläden des Gebäudes waren ebenfalls verriegelt, die Pflastersteine im Hof von Unkraut überwuchert. Wilhelm stand auf der gegenüberliegenden Straßenseite und sah zu den Fenstern empor, hinter denen sich die Büroräume seines Vaters befanden. Er bemerkte den Mann, der neben ihn getreten war, erst, als er sprach. »Sieht trostlos aus, nicht wahr?«
    Es war der Wachmann, den Wilhelm von früheren Besuchen im Afrikahaus kannte. Er trug zivile Kleidung und lächelte Wilhelm unter seinem Hut schief an. »Es geht mir an die Nieren«, sagte er,
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