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Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Karsten Flohr
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freigelassen werden, schicken sie sofort nach Frankreich weiter. Viele dürfen nicht einmal ihre Familien sehen zwischendurch.«
    Robert nickte. »Arme Kerle«, sagte er. »Es ist eine Schweinerei! Und was dabei herauskommt, sieht man ja jetzt.«
    Adalbert, der interessiert zugehört hatte, fragte: »Was kommt dabei heraus?«
    Robert und Wilhelm sahen sich an. »Es passieren Dinge da draußen, die erfährt hier keiner«, sagte Wilhelm dann zu Adalbert. »Und wenn man sie erzählt, kann man ins Gefängnis kommen. Du musst es für dich behalten.«
    Adalbert nickte.
    »Also, was sie dort an einigen Frontabschnitten machen, ist: Sie hören auf zu kämpfen. Einfach so. Die Franzosen und Engländer auch. Sie wollen das nicht länger. Jeder von ihnen hat Freunde verloren, Brüder, Söhne, den Vater. Und wofür? Für ein paar Meter Graben.«
    Er sah nachdenklich zu Robert, der kaum merklich nickte. Wilhelm beugte sich zu Adalbert und fuhr fort: »Sie machen Frieden unter sich, hören auf zu schießen, und dann treffen sie sich zwischen den Gräben und reden und rauchen zusammen – wilde Waffenruhen nennt man das. Die Franzosen haben vor kurzem ein Plakat aus ihrem Graben hochgehalten, darauf stand: Wir sind alle Familienväter. Daraufhin sind alle aus ihren Gräben gekommen und haben zusammen gegessen und getrunken.«
    Adalbert versuchte, in Wilhelms Miene zu lesen, ob er die Wahrheit sagte. »Und was sagen die Generäle dazu?«, fragte er ungläubig.
    »Wenn hoher Besuch erwartet wird, dann schießen die Soldaten ein bisschen aufeinander. Aber sie verständigen sich vorher durch geheime Zeichen.«
    »Und wenn das rauskommt?«, fragte Adalbert. »Werden sie dann erschossen? Was tun die Offiziere dagegen?«
    »Das erzähle ich dir später«, sagte Wilhelm, »du hast genug gehört. Jetzt ist erst mal Schlafenszeit.«
    Nachdem Adalbert gegangen war, sagte Elisabeth: »Seine Frage ist berechtigt. Was tun die Offiziere? Was hättet ihr getan?«
    Wilhelm und Robert sahen sich fragend an. »Ich weiß es nicht«, sagte Wilhelm dann. »Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass ich nicht in diese Lage geraten bin. Was wir in Belgien erlebt haben, hat uns gezeigt, dass dieser Krieg anders sein würde als alle zuvor. Schon bevor er richtig ausbrach.«
    »Ein Krieg bricht nicht aus, einen Krieg machen Menschen«, warf Elisabeth ein.
    Wilhelm nickte. »Da hast du recht. Aber selbst die, die ihn machen, merken das manchmal nicht.«
    »Und – was geschieht bei diesen wilden Waffenruhen? Das werden die sich doch nicht gefallen lassen.«
    Wilhelm sah sie müde an. »Das ist ja nicht das Einzige. Immer mehr Soldaten hauen ab. Nach Holland, Dänemark oder in die Schweiz. Morgens ist Appell – und abends sind sie nicht mehr da. Die Feldpolizei ist machtlos. Aus den Lazaretten verschwinden sie ebenfalls, leicht Verwundete machen sich auf eigene Faust auf den Weg in die Heimat. Zu Fuß. Manche werden aufgegriffen, die meisten nicht. Tausende haben sich schon aus dem Staub gemacht.«
    »Und die Offiziere?«, beharrte Elisabeth.
    »Die haben ihre eigenen Sorgen«, sagte Wilhelm leise. »Sie interessieren sich für ganz andere Dinge. Sie schicken zum Beispiel ihre Burschen in die Häuser der Franzosen, um nach wertvollem Hausrat zu suchen – Kerzenleuchter, Besteck, Schmuck, Vasen. Und das lassen sie in die Heimat bringen – direkt zu sich nach Hause, von ihren eigenen Burschen. Die bekommen dafür Extra-Urlaub.«
    »Du meinst: Sie klauen?«, fragte Elisabeth entsetzt.
    »Kriegsbeute«, korrigierte Robert.
    »Nein«, sagte Elisabeth, »das glaube ich nicht, das kann nicht sein! Ihr seid doch auch Offiziere – da müsst ihr etwas unternehmen!«
    »Ein Hochverräter und ein Einbeiniger retten die Offiziersehre – tolle Schlagzeile für die Zeitung!«, lachte Wilhelm. Dann wurde er ernst: »Bitte, sag nichts von solchen Dingen außerhalb dieses Hauses. Ich fürchte, wir hätten dem Jungen nichts davon erzählen dürfen. Ich werde noch mal zu ihm gehen und ihm klarmachen, dass er es für sich behalten muss.«
    »Er ist nicht mehr derselbe«, sagte Elisabeth, als sie und Robert allein am Tisch saßen. »Er hat mir fast nichts erzählt von dem, was er erlebt hat, ich weiß nicht, wie es in ihm aussieht. Ich bin nur froh, dass er jetzt hierbleibt.«
    »Darauf würde ich nicht wetten«, erwiderte Robert, und alsElisabeth ihn fragend ansah, fügte er hinzu: »Adèle. Er hat sie noch mit keinem Wort erwähnt, aber ich bin sicher, dass er an kaum etwas
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