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Zeit und Welt genug

Titel: Zeit und Welt genug
Autoren: James Kahn
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zwei Meilen nach Osten flussaufwärts, und wenn wir die Fährte nicht finden, kehren wir um und folgen dem Fluss nach Westen. Weiter als zwei Meilen kann er nicht stromaufwärts geschwommen sein.«
    Beauty bejahte gemessen. Das war Menschenart, der Versuch, alle Möglichkeiten zu erfassen. Eine solche Einstellung hatte ihren Sinn, gab Beauty innerlich zu, wenn der gesunde Zentaurenverstand versagte.
    Das war ein alter Anlass für Witzeleien bei ihnen: Beautys Wortkargheit. Neben seinem Zentaurenfreund war der stille Josh geradezu geschwätzig. Er nahm seinen Freund deshalb oft auf den Arm. Beauty dagegen beschuldigte Josh der krankhaften Redseligkeit; Schreiber sei er nur geworden, um kritzeln und sinnloses Zeug faseln zu können. So ging das hin und her.
    Josh sah seinen Freund nach den beiden einsilbigen Antworten an und sagte: »Weißt du was? Stampf einmal mit dem Fuß für ›Ja‹, zweimal für ›Nein‹; einverstanden?« Es gehörte zu seinen großen Freuden, den goldenen Freund zu verspotten.
    Beauty sah Josh von oben herab an, hob den rechten Vorderhuf und drückte den jungen Mann rückwärts in den Fluss. Joshua zappelte und spuckte kurze Zeit, dann stemmte er sich heraus.
    »War das schön?« fragte der Zentaur glucksend.
    Joshua sprang mit einem fröhlichen Schrei auf Beautys Rücken, lehnte sich weit hinaus, die Hände in seiner Mähne, und riss den Zentauren zu Boden. Sie wälzten sich im Schlamm und rangen eine ganze Minute miteinander, bis Josh den Kopf hob und bemerkte, dass sie von einer Gruppe feindseliger Wesen umzingelt waren.
    Er stand langsam auf, die Hände von seinen Messern weggestreckt. Beauty sprang mit einer einzigen Bewegung hoch und blieb regungslos stehen. Sie waren fünf, alle mit gezückten Waffen, im Halbkreis um Josh und Beauty am Flussufer. Stumme Wilde.
    Einer war ein großer, breiter Kerl, sein Gesicht war vom Haarwuchs fast völlig bedeckt. Er zielte mit einer Armbrust genau auf Joshuas Bauch. Neben ihm stand eine hagere zahnlose Frau mit einer selbstgebauten Schusswaffe – diese Apparate waren mehr als unzuverlässig, aber man wusste nie, ob sie nicht doch losgingen. Neben ihr stand ein muskulöser Mann ohne Arme mit dem Kopf eines großen schwarzen Vogels; neben diesem lächelte ein Gorilla, der die Fäuste öffnete und schloss. Und schließlich diejenige, die diese Bande anzuführen schien: eine hochgewachsene nackte Frau mit einem Säbel in der Hand und einer schwarzen Kapuze über dem Kopf. Ihre funkelnden grünen Augen blickten durch die zwei Löcher im Stoff. An der rechten Schulter trug sie als Brandmal einen aufrechten Dreizack.
    Eine ganze Minute lang rührte sich niemand. Es war animalisch. Alle schnupperten und versuchten Witterung aufzunehmen. Josh spürte, wie unter seiner Achsel ein Schweißtropfen rund wurde und an seinem Körper herabrann, entstanden durch die heiße Nachmittagssonne und die in der Luft liegende Spannung. Schließlich begann die Frau mit der Kapuze zu sprechen, mit leiser, bewusst monotoner Stimme.
    »Seid ihr Gläubige?« fragte sie.
    Josh verkrampfte sich. Die Frage verriet, dass die Gegner ESS waren – Erweckte See-Soldaten. Obwohl sie ziemlich heruntergekommen aussahen, gehörten sie mit zu den besten Nahkämpfern. Außerdem betrachteten sie sich als moralische Instanz, und das hieß nach Joshuas Wissen, dass sie labil und gefährlich waren.
    »Unsere Reise ist eine moralische«, sagte Josh zu der verhüllten Frau.
    »Wir sind keinem König verbunden«, erklärte Beauty.
    »Auch dem Papst nicht«, fügte Josh hinzu.
    Die ESS unterstanden dem Befehl des Dogen von Venice, und obwohl der Doge mit dem Papst verbündet war, gab es interne Feindseligkeiten. Die ESS verehrten Neptun, den Gott des Meeres. Ihre Religion prophezeite, dass eines Tages das Meer sich das Land wieder zurückholen würde. Dann sollte Neptun die ganze Wasserwelt beherrschen.
    »Seid ihr Gläubige?« wiederholte die Frau mit der Kapuze.
    »Unser Weg wird vom Rache-Recht bestimmt«, sagte Josh. »Vampire haben unsere Angehörigen getötet.«
    »Vielleicht hatten sie recht (sie)«, sagte die Frau.
    Der Vogel-Mann gab einen krächzenden Laut von sich, als drehe man eine Ratsche, und verstummte wieder.
    Josh bemerkte, dass Beautys Hinterbeine sich ein wenig spannten, bereit zum Sprung. »Sie hatten nicht recht«, knurrte Beauty. Seine Mähne sträubte sich.
    »Nichtgläubige lügen zu ihrem Vorteil«, sagte die Frau mit der Kapuze. Ihr Blick war auf Beauty gerichtet, die
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