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Zeit und Welt genug

Titel: Zeit und Welt genug
Autoren: James Kahn
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Entschlossenheit aus. Monterrey hatte sich daran gewöhnt, die frostigen Absichten des Eindringlings bis in den Juni hinein zu beobachten.
    Südlich von Beautys Farm lagen verstreute Höfe, es gab Siedler und Handelsposten. Die Bevölkerungsdichte nahm weiter südlich zu, bis es hier und dort sogar Städte gab – meist ummauerte, autarke Zentren, wo Menschen und andere Tiere sich zur Geselligkeit, zum Handel, zum Schutz versammelten.
    Beautys Farm lag ideal. Kühl und karg genug in den meisten Monaten des Jahres, um für Abenteurer und Soldaten ohne Interesse zu sein; von den Pazifikströmungen so erwärmt, dass Obstzucht leicht fiel. Beauty hatte vorher nicht einmal erwogen, von hier fortzugehen – nachdem er sich mit Rose erst einmal niedergelassen hatte –, genau wie Joshua.
    Sie falteten also mit großem Bedauern ihr Leben zusammen und schoben es wie Hochzeitskleidung in die untersten Schubladen ihres Gedächtnisses. Aber jetzt waren sie Jäger, und ein erfolgreicher Jäger kann sich nur einen Gedanken leisten: den an die Beute.
    Sie machten sich am Morgen, als das erste Licht zitternd erschien, auf den Weg. Beauty hatte nur seinen Bogen und einen Köcher dabei, Joshua seine Messer und seinen Falken-Federkiel.
    Von dem Vampir oder dem Greif gab es keine Spur, abgesehen von einer grünen Flügelfeder des letzteren – offenkundig waren sie fliegend geflüchtet. Aber der verwundete Unglücksfall hinterließ eine ziemlich leicht zu verfolgende Spur von Blut, Gerüchen, Fußabdrücken und Losung, der Beauty und Josh in Richtung Osten viele Meilen folgten, hinein in bewaldetes Sumpfland.
    Dort führte die Spur nach Süden.
    Im Sumpfgebüsch wurde es schwerer, der Fährte zu folgen, aber Josh hatte ein scharfes Auge und Beauty den Geruchssinn eines Pferd. So kamen sie den ganzen Vormittag gleichmäßig voran, stumm, Seite an Seite, alle Sinne geschärft. Als ihre Schatten kurz wurden, blieben sie an einem Teichufer, um zu rasten und zu essen.
    »Er läuft parallel zur Küste«, sagte Beauty mit geblähten Nasenflügeln. »Immer noch in Richtung Süden.«
    Josh lag auf dem Bauch und trank aus dem Teich.
    »Aber er wird langsamer.«
    Beauty nickte, schüttelte die Mähne und schlug mit den Vorderbeinen aus.
    Joshua stand auf.
    »Halt dich still, Beauty. Überlegte Rast ist des Jägers Stütze.«
    Beauty schnaubte.
    »Typisch Schreiber.« Er stand am Rand des kühlen Wassers und beobachtete, wie sein Spiegelbild auf den Kräuselungen tanzte, die Joshuas durstige Lippen verursacht hatten. Beauty verachtete die Menschenreligion der Schreibkunst. Sie erhob unwirkliche, sinnlose Krakel zu einem Rang, den sie nicht besaßen, verwandelte sie in machtvolle Zeichen. Sie förderte falsche Geduld, falsche Hoffnung, falschen Vorrang. Beauty zog die Schultern hoch. Eine menschliche Bestrebung mehr, die ihm rätselhaft blieb.
    Josh legte die Hand auf den Rücken seines Freundes.
    »Wir finden unsere Leute.«
    Beauty drehte den Kopf, und seine Lippen dehnten sich zu dem Anflug eines Lächelns.
    »Es ist gut, mit dir wieder zu jagen.« Er verlieh allen Worten die gleiche Betonung, und der Sinn war vielschichtig und verwies auf vieles, was zwischen ihnen vorgegangen war. Erstens bezog er sich auf die Tatsache, dass er für die Jagd geboren war und er sie in den Jahren, seit er seine Farm betrieb, vermisst hatte. Er meinte auch die Zeit vor zehn Jahren, als er und Josh ständig gemeinsam auf der Jagd gewesen waren, als sie miteinander vom erlegten Wild eine große Familie von Verwandten und Freunden versorgt hatten. Er meinte den großen Krieg der Rassen, den die Menschen gegen alle anderen Arten geführt und der Beauty und Joshua getrennt hatte; sie waren sogar gezwungen gewesen, einander zu jagen, bis Beauty von einem Menschenfürsten verwundet worden war und Joshua ihn im Wald versteckt und mit Roses Hilfe gesund gepflegt hatte.
    Nach dem Ende des Krieges hatte es keine Nationalgrenzen mehr gegeben. Könige und Päpste führten ihre eigenen persönlichen Kriege hier und dort um Land und Macht, aber Beauty stellte seinen Bogen in die Ecke und schwor, für den Rest seines Lebens Bauer sein zu wollen und einen Teil seines Ertrags immer dem Rest von Joshuas Familie zu überlassen.
    Er wollte Josh nun sagen, dass es gut sei, wieder zu jagen, gut, es wieder mit Josh zu tun, gut, mit ihm zu jagen, gut, mit Josh wieder zu jagen.
    Josh verstand und zeigte es in seinem Gesicht.
    Ein naher Orangenbaum versorgte die Jäger mit einer Mahlzeit
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