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Zeit des Mondes

Zeit des Mondes

Titel: Zeit des Mondes
Autoren: Ravensburger
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Kommoden, die zerbrochenen Waschbecken, die Zementsäcke, die kaputten Türen, brüchigen Liegestühle, verfaulten Tapeten, die Seile, die Rohre, die Zeitungen und Zeitschriften, die Kabelrollen, die Tüten mit Nägeln. Papa und ich prüften alles, was sie herausbrachten.
    Wir sagten immer: „Das können wir brauchen.“
    Dann sagten wir: „Nein, geht nicht, es ist doch nur Müll.“
    Ein Lastwagen kam und setzte am hinteren Weg einen riesigen Container ab. In den warfen wir alles. Wir waren ganz voller toter Schmeißfliegen und Spinnen, Ziegel- und Mörtelstaub. Als die Garage leer war, standen wir um sie herum, tranken Tee und lachten über den Schrott. Ich ging allein zur Tür und starrte hinein.
    „Michael!“, sagte Papa.
    „Ja“, sagte ich. „Ich weiß. Ich geh nicht hinein.“
    Er erzählte den Bauleuten, wie versessen ich gewesen sei, da hineinzugehen.
    „Genauso waren diese zwei auch einmal“, sagte Batley. „Wenn sie etwas Dunkles und Gefährliches entdeckt hatten, war es kaum mehr möglich, sie davon abzubringen.“
    Ich starrte hinein, starrte und starrte. Nichts als Trümmer, Schmutz und Scherben, und in einer Ecke ein paar Fertiggerichtschachteln, ein paar Bierflaschen, ein paar verstreute Federn, die Gewölle.
    Ich seufzte und flüsterte: „Leb wohl, Skellig.“
    Dann standen die Bauleute und Papa hinter mir.
    „Sehen Sie“, sagte Mr Batley und zeigte an mir vorbei. „Sieht aus, als ob ein Penner ein paar Nächte hier verbracht hätte. Zum Glück fiel nicht gleich alles über ihm zusammen.“
    Dann tranken wir den Tee aus.
    Mr Batley rieb sich die Hände. „Also gut, Jungs“, sagte er. „Es ist Zeit, das abzureißen.“
    Es dauerte nur eine Stunde oder zwei. Wir standen in der Küche und sahen zu, wie sie mit Brecheisen und Vorschlaghämmern und Sägen arbeiteten. Wir bissen uns auf die Lippen und schüttelten jedes Mal den Kopf, wenn ein bisschen vom Dach oder ein Stück Mauer krachend einstürzte. Bald war die Garage nur noch ein großer Haufen Ziegelsteine, Balken und Staub.
    „Verdammt noch mal“, sagte Papa.
    „Wenigstens kriegt das Baby einen schönen großen Garten zum Spielen“, sagte ich.
    Er nickte und fing an, über den Rasen zu sprechen, den er anlegen werde, und über den Teich, den er graben werde, und über die Büsche, die er für die Vögel pflanzen werde, damit sie darin ihre Nester bauen könnten.
    „Ha!“, sagte er. „Es wird ein kleines Paradies für uns alle werden.“
    Als alles vorüber war, standen Gus und Nick mit den Händen an den Hüften stolz und glücklich da. Mr Batley, vom Staub weiß wie der Tod, signalisierte uns mit hochgestreckten Daumen den Erfolg. Wir trugen Tee hinaus.
    „Verdammt schön war das“, sagte er.
    „Ja“, sagte Gus. „Geht nichts über einen hübschen Abriss.“

46
    An einem Sonntag kam sie nach Hause. Es war ein schöner, heller, warmer Tag. Es war endlich richtig Frühling. Papa fuhr mit dem Auto weg, und ich blieb daheim, um die Küche aufzuräumen. Ich wickelte die Fertiggerichtschachteln in Zeitungspapier ein und warf sie in die Mülltonne. Ich stellte für Mama den Wasserkessel auf den Herd. Papa stellte ich eine Dose Bier und ein Glas hin.
    Ich ging die Treppe hinauf und schob die Feder für meine Schwester unter ihre Matratze. Ich lächelte, weil ich wusste, dass sie sehr schöne Träume haben würde. Ich wartete und schaute auf den leeren Platz, den Mr Batley und seine Söhne geschaffen hatten. Sogar der Betonboden war jetzt weg. Die hintere Mauer war durch einen Holzzaun ersetzt. Ich stellte mir den Garten voller Büsche und Blumen vor und das Gras, das dort, wo einmal die Wildnis gewesen war, wachsen würde. Ich zitterte, als ich das Auto hörte. Ich konnte mich nicht bewegen. Dann atmete ich tief durch, dachte an Skellig und öffnete die Haustür. Papa hatte das Baby auf dem Arm. Mama stand da und strahlte.
    „Willkommen zu Hause, Mama“, flüsterte ich und sagte, was ich geübt hatte.
    Sie lächelte, weil ich so aufgeregt war. Sie nahm meine Hand und ging mit mir ins Haus hinein, in die Küche. Sie setzte mich auf einen Stuhl und legte mir das Baby in die Arme.
    „Schau, wie schön deine Schwester ist“, sagte sie. „Schau, wie kräftig sie ist.“
    Ich hielt meine Schwester hoch. Sie bog den Rücken, als ob sie gleich tanzen oder fliegen würde. Sie streckte den Arm aus und kratzte mit ihren winzigen Nägeln in meinem Gesicht. Sie zog an meinen Lippen und berührte meine Zunge. Sie schmeckte nach
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