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Zeit des Mondes

Zeit des Mondes

Titel: Zeit des Mondes
Autoren: Ravensburger
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Monat lang auf Salat setzen. Ich boxte ihn in den Bauch.
    „Vielleicht keine so schlechte Idee, Fettkloß.“
    „Du willst sie also nicht?“, sagte er. „Also keine 27 und 53 mehr.“
    „Stimmt genau, Fettkloß“, sagte ich. „Stattdessen … 19 und 42.“
    „Ha! Mal was anderes, was?“
    Nachdem wir gegessen hatten, ging ich immer zu Mina. Wir zeichneten und malten auf ihrem Küchentisch. Wir lasen William Blake und schrieben Geschichten über Abenteuer in alten Häusern und Reisen zu weit entfernten Fantasieorten.
    Jeden Abend fragte Mina: „Wann kommt sie nach Hause, Michael? Ich kann es kaum erwarten. Ich habe sie noch nie gesehen.“
    Bevor das Baby nach Hause kam, gingen wir noch einmal auf den Dachboden. Die Sonne schien noch. Sie hing tief und rot und riesig über der Stadt. Der Dachboden war leer und still. Sie zeigte auf die Kauzgewölle unter dem Nest.
    „Geh nicht nah ran“, sagte sie. „Sie verteidigen ihre Jungen unter Einsatz ihres eigenen Lebens.“
    Wir standen in der Mitte des Zimmers und dachten an Skellig.
    „Vielleicht findet ihn jetzt jemand anders“, sagte Mina.
    „Ja“, sagte ich. „Hoffentlich.“
    Dann sahen wir, dass unter dem Bogenfenster ein Herz in den Bretterboden geritzt war. Neben dem Herz war eingeritzt: „Danke, S.“, und innen lagen drei kleine weiße Federn.
    Wir hoben die Federn auf und lächelten.
    „Drei“, sagte Mina.
    „Eine ist für das Baby“, sagte ich.
    Als wir dahockten, flogen die Käuze durchs Zimmer und setzten sich auf den Fensterrahmen über uns. Dann zeigten sich zwei Vogeljunge und tapsten zur gegenüberliegenden Wand. Sie waren rund und fast nackt. Leises Piepsen kam aus ihren weit geöffneten Schnäbeln. Wir staunten, wie schön sie waren, wie zart. Dann flogen die Käuze zum Jagen hinaus. Wir blieben eine Weile dort. Wir beobachteten, wie die Käuze mit dem Fleisch von winzigen Tieren, die sie getötet hatten, wieder hereinflogen. Wir beobachteten, wie die Küken sich vollstopften.
    „Kleine Wilde“, sagte ich.
    „Das stimmt“, sagte Mina. „Schöne, zarte Wilde.“
    Wir lächelten und wollten gerade auf Zehenspitzen wegschleichen. Da flogen die Käuze wieder herein und kamen zu uns. Sie legten etwas vor uns hin. Eine tote Maus, ein winziges, totes Vogelbaby. Blut tropfte noch durch den zerrissenen Flaum, die jungen Federn. Die Käuze flogen schnell wieder weg, und wir hörten sie in der dunkelnden Nacht schreien.
    „Wilde“, flüsterte ich.
    „Mörder“, sagte Mina. „Außergewöhnliche Geschenke, ja.“
    „Sie denken, wir seien so etwas wie sie“, sagte ich.
    „Vielleicht sind wir das“, sagte Mina.
    Wir hoben die Tiere auf und gingen auf Zehenspitzen hinaus.
    „Gute Nacht, kleine Vögelchen“, flüsterten wir.
    Draußen beerdigten wir die Maus und das Vogelbaby in einem Beet am Gartenrand. Wir starrten zum Dachboden hinauf und sahen die Käuze, jetzt im Mondlicht, wie sie wieder mit Fleisch für ihre Jungen herbeiflogen.
    „Bald werden die Bauleute kommen“, sagte Mina. „Ich werde dafür sorgen, dass sie nicht anfangen, bevor die Vogeljungen weggeflogen sind.“

45
    Am Samstag kamen die Bauleute, um die Garage auszuräumen. Sie waren zu dritt, ein älterer Mann mit einer Mütze, Mr Batley, und seine beiden Söhne, Nick und Gus. Sie schlugen heftig an die Wände und beobachteten, wie die schwankten und vibrierten. Sie hörten das Dach knarren und einsacken. Sie kratzten an den Ziegelsteinen und sahen, wie leicht sie abblätterten. Sie rissen Papas Holzbretter mit einem Ruck weg und guckten hinein.
    Mr Batley nahm seine Mütze ab und kratzte sich den kahlen Kopf. „Da geh ich nicht mal für eine Gefahrenzulage hinein“, sagte er.
    Er überlegte, zuckte mit den Schultern, verzog den Mund und schaute Papa an. „Sie wissen, was ich jetzt sagen werde, oder?“, sagte er.
    „Vermutlich schon“, sagte Papa.
    „Keinen Pfifferling wert. Abreißen und neu bauen.“
    Papa sah mich an. „Was meinst du?“, sagte er.
    „Weiß nicht“, sagte ich.
    „Die Wahl fällt leicht“, sagte Mr Batley. „Sie reißen es ab oder Sie setzen sich und schauen zu, wie es von selbst zusammenfällt.“
    Papa lachte.
    „Also, fangen Sie an“, sagte er. „Holen Sie das Zeug von drinnen raus, dann wird abgerissen.“
    Sie stellten Stahlstützen auf, um zu verhindern, dass das Dach einstürzte, solange sie drinnen arbeiteten. Sie brachten das Gerümpel heraus und legten es um Ernies Toilette herum in die Wildnis: all die alten
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