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Zeit des Mondes

Zeit des Mondes

Titel: Zeit des Mondes
Autoren: Ravensburger
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1
    Ich fand ihn an einem Sonntagnachmittag in der Garage. Einen Tag, nachdem wir in die Falconer Road umgezogen waren. Der Winter ging zu Ende. Mama hatte gesagt, wir zögen gerade rechtzeitig zum Frühling um. Niemand sonst war da. Nur ich. Die anderen waren im Haus mit Doktor Tod und sorgten sich um das Baby.
    Er lag dort im Dunklen hinter Teekisten in Staub und Dreck. Es war, als ob er schon immer dort gewesen wäre. Er war schmutzig, blass und ausgedörrt, und ich dachte, er sei tot. Mehr hätte ich mich nicht irren können. Bald sollte ich die Wahrheit über ihn herausfinden: Solch ein Wesen hat es noch nie auf der ganzen Welt gegeben.
    Wir sprachen von „Garage“, weil der Immobilienmakler, Mr Stone, dieses Ding so genannt hatte. Es sah eher wie ein Schrottplatz oder eine Müllhalde aus oder wie eines dieser alten Lagerhäuser am Ufer, die ständig abgerissen werden. Stone führte uns in den Garten, riss die Tür auf und leuchtete mit seiner kleinen Taschenlampe ins Dunkel. Wir steckten mit ihm unsere Köpfe durch die Türöffnung.
    „Sie müssen sie sich mit Ihrem geistigen Auge ansehen“, sagte er. „Stellen Sie sich vor, sie ist aufgeräumt, hat neue Türen und ein repariertes Dach. Das gibt eine wunderbare Doppelgarage.“
    Er sah mich mit einem blöden Grinsen an. „Oder es ist etwas für dich, Junge – ein Versteck für dich und deine Freunde. Was meinst du, hm?“
    Ich schaute weg. Ich wollte nichts mit ihm zu tun haben. Auf dem ganzen Weg um das Haus herum war es immer dasselbe gewesen. „Sehen Sie es einfach vor Ihrem geistigen Auge. Stellen Sie sich einfach vor, was noch alles gemacht werden könnte.“ Auf dem ganzen Weg ums Haus dachte ich ständig an den alten Mann, Ernie Myers, der hier jahrelang allein gelebt hatte. Er war schon fast eine Woche tot gewesen, bevor sie ihn in der Küche unter dem Tisch gefunden hatten. Das war es, was ich vor mir sah, als Stone über das Sehen mit dem geistigen Auge redete. Davon redete er auch noch, als wir in das Esszimmer kamen und dort in der Ecke hinter einer Sperrholzwand eine zerbrochene Toilette sahen. Wenn er bloß still gewesen wäre! Aber er flüsterte, dass Ernie am Schluss die Treppe nicht mehr geschafft habe. Sein Bett wurde ihm hier hereingebracht, eine Toilette wurde installiert, sodass für ihn alles leichter war. Stone schaute mich an, als ob er meinte, ich dürfe über solche Dinge noch nicht Bescheid wissen. Ich wollte hinaus, wieder zu unserem früheren Haus zurück, aber Mama und Papa sahen sich noch alles genau an. Sie setzten den Rundgang fort, als sei es ein großes Abenteuer. Sie kauften das Haus. Sie fingen an zu putzen und zu schrubben und anzustreichen. Dann kam das Baby zu früh. Und das war der Stand der Dinge!

2
    Am Sonntagmorgen war ich schon fast in der Garage. Ich nahm meine Taschenlampe und leuchtete hinein. Die Türen nach hinten hinaus, zu dem dort vorbeiführenden Weg, mussten schon vor Jahren zerfallen sein, der Eingang war mit vielen großen und schweren Holzbrettern zugenagelt. Die Balken, die das Dach trugen, waren morsch und das Dach hing durch. Das bisschen Boden, das zwischen dem Müll noch sichtbar war, war voller Risse und Löcher. Die Leute, die den Müll wegbrachten, hätten natürlich auch den aus der Garage mitnehmen sollen, aber sie warfen nur einen Blick hinein und sagten, da hinein gingen sie nicht, auch nicht für Gefahrenzulage. Es standen alte Kommoden und Waschbecken herum, Zementsäcke, uralte an die Wände gelehnte Türen, Liegestühle mit vermodertem Stoffbezug. Große Rollen Seil und Kabel hingen an Nägeln. Haufenweise Wasserrohre und große Schachteln mit rostigen Nägeln lagen auf dem Boden herum. Alles war mit Staub und Spinnweben bedeckt. Mörtel war von den Wänden gefallen. Es gab ein kleines Fenster, aber es war schmutzig, davor standen Rollen von rissigem Linoleum. Es stank nach Moder und nach Verwesung. Sogar die Ziegelsteine zerbröckelten, als ob sie das Gewicht nicht mehr tragen könnten. Als ob das Ganze an sich selbst verfault sei und zu einem Haufen zusammenfallen würde und mit einem Bagger weggeräumt werden müsste.
    Ich hörte in einer der Ecken etwas kratzen und umhertrippeln, dann nichts mehr; es war wieder totenstill. Ich stand da und überlegte, ob ich es wagen würde hineinzugehen. Gerade als ich hineinschleichen wollte, hörte ich Mama nach mir rufen. „Michael! Was machst du?“
    Sie stand an der Hintertür.
    „Haben wir dir nicht gesagt, du sollst warten, bis wir
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