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Zeit des Mondes

Zeit des Mondes

Titel: Zeit des Mondes
Autoren: Ravensburger
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Milch und Salz und nach etwas Geheimnisvollem, süß und sauer zugleich. Sie wimmerte und gurgelte. Ich nahm sie näher an mich heran und ihre dunklen Augen sahen direkt in mich hinein, direkt dahin, wo alle meine Träume waren, und sie lächelte.
    „Sie wird weiterhin zu Untersuchungen kommen müssen“, sagte Mama. „Aber sie sind sicher, dass die Gefahr vorbei ist, Michael. Deine Schwester wird wirklich gesund.“
    Wir legten sie auf den Tisch und saßen um sie herum. Wir wussten nicht, was wir sagen sollten. Mama trank ihren Tee. Papa ließ mich von seinem Bier trinken. Wir saßen da, schauten einander an und berührten einander, und wir lachten und lachten und weinten und weinten. Bald klopfte es sanft an der Tür. Ich ging hinaus, es war Mina. Sie war schüchtern und still wie noch nie zuvor. Sie begann zu sprechen, murmelte etwas, verstummte wieder und sah mir dann nur noch in die Augen.
    „Komm und schau“, sagte ich.
    Ich nahm ihre Hand und ging mit ihr in die Küche. Sie sagte zu meinen Eltern höflich Guten Abend. Sie sagte, hoffentlich hätten sie nichts dagegen. Papa rückte zur Seite, um sie an den Tisch zu lassen. Sie schaute auf das Baby.
    „Sie ist schön“, hauchte sie. „Sie ist außergewöhnlich!“
    Und sie schaute uns alle an und lachte mit uns. Sie war wieder ganz schüchtern, als sie sagte: „Ich habe ein Geschenk mitgebracht. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen.“
    Sie entrollte ein Bild von Skellig, seine Flügel ragten von seinem Rücken empor, auf seinem weißen Gesicht ein sanftes Lächeln. Mama holte tief Atem. Sie starrte mich an und sie starrte Mina an. Einen Augenblick lang dachte ich, sie werde uns etwas fragen. Dann lächelte sie uns beide einfach an.
    „Das habe ich mir ausgedacht“, sagte Mina. „Ich dachte, vielleicht freut sich das Baby, wenn das Bild in seinem Zimmer hängt.“
    „Es ist wirklich wunderschön, Mina“, sagte Mama und nahm es Mina sanft aus den Händen.
    „Danke schön“, sagte Mina.
    Sie stand verlegen da.
    „Ich gehe jetzt.“
    Ich ging mit ihr zur Tür. Wir lächelten einander an.
    „Bis morgen, Mina.“
    „Bis morgen, Michael.“
    Ich sah zu, wie sie im dämmernden Licht wegging. Von der anderen Straßenseite kam Säusel, um sie zu begleiten. Als Mina sich hinabbeugte, um den Kater zu streicheln, war ich sicher, dass ich für einen Augenblick das geisterhafte Bild ihrer Flügel sah.
    Als ich in die Küche zurückkam, sprachen sie wieder darüber, welcher Name zum Baby passen würde.
    „Persephone“, sagte ich.
    „Nicht schon wieder dieses komplizierte Wort“, sagte Papa.
    Wir überlegten noch eine Weile, und schließlich nannten wir sie einfach Joy.

David Almond wurde 1951 in Newcastle/England geboren. Er studierte Literatur und arbeitete als Lehrer, hielt sich unter anderem aber auch als Postbote, Bauarbeiter und Hotelportier über Wasser. Mit Ende zwanzig begann er, Kurzgeschichten für Erwachsene zu veröffentlichen. „Zeit des Mondes“ war sein erstes Kinderbuch und erhielt bedeutende Preise. Zuletzt veröffentlichte David Almond „Mina“, die Vorgeschichte zu „Zeit des Mondes“, das für den deutschen Jugendliteraturpreis nominiert wurde. Für sein umfangreiches Werk wurde er mit zahlreichen renommierten Preisen geehrt, u.a. mit dem Hans-Christian-Andersen-Preis, der international höchsten Auszeichnung für Kinder- und Jugendliteratur. David Almond lebt mit seiner Familie in Northumberland.
    Mehr über den Autor auf www.davidalmond.com
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