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Zeit des Mondes

Zeit des Mondes

Titel: Zeit des Mondes
Autoren: Ravensburger
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Bier. Die Straßenlaternen brannten, die Luft war kalt und am Himmel funkelten Sterne. Unser Atem wand sich in langen weißen Fahnen um uns. Während wir gingen, erzählte ich Mina von Mamas Traum.
    „Außergewöhnlich“, flüsterte sie.
    Sie lächelte und sagte, das bedeute, dass er immer da sei, wann immer wir ihn bräuchten. Aber wir wussten, dass wir ihn wiedersehen und berühren wollten.
    Wir bemerkten, dass Säusel uns begleitete.
    „Böser Bub“, sagte sie und beugte sich zu ihm hinab, um ihn zu streicheln.
    Sie lachte. „Den ganzen Tag über sind die Vogeljungen immer stärker und mutiger geworden. Sie sind tief in die Hecke hineingeflattert, wo ihnen keiner was tun konnte. Den ganzen Tag lang haben sie Würmer, Würmer, Würmer bekommen, und als wir Säusel hinausließen, saß er nur mürrisch und enttäuscht neben uns auf der Treppe.“
    Sie streichelte ihn wieder.
    „Du schrecklicher kleiner Wilder“, sagte sie zu ihm und er schnurrte und schmiegte sich an sie.
    Wir gingen durch die GEFAHR -Tür, ohne etwas zu erwarten. Das Haus war ruhig und still. Der Dachboden leer. Keine Käuze. Kein Skellig.
    Auf dem Fenstersims fanden wir eine tote Maus, ein bisschen Speckrand, einen kleinen Haufen toter schwarzer Käfer. Wir setzten uns auf den Boden und starrten hinaus, zu den unendlich vielen Sternen.
    „Ich glaube, jetzt wird sie gesund werden“, sagte ich.
    Mina lächelte und Säusel schnurrte.
    „Fühl mein Herz“, sagte ich. Sie legte die Hand auf meine Brust. „Kannst du es fühlen?“, fragte ich. „Ihr Herz, das da drin direkt neben meinem schlägt?“
    Sie konzentrierte sich.
    „Ich bin nicht sicher, Michael“, sagte sie.
    „Versuch es noch einmal. Konzentriere dich. Es ist wie Berühren und Horchen und Sich-Vorstellen, alles zugleich. Es ist etwas weit Entferntes und Leises, wie das Piepsen von Amseljungen in einem Nest.“
    Sie schloss die Augen und fühlte wieder. Sie lächelte. „Ja“, flüsterte sie. „Ja, da ist es. Da und da und da.“
    „Das Herz des Babys“, sagte ich. „Es wird jetzt nicht mehr aufhören zu schlagen.“
    „Ja, es wird jetzt nicht mehr aufhören zu schlagen.“
    Sie begann, ihr William-Blake-Lied zu singen.
    „Die Sonne versinkt im Westen,
Am Himmel schon der Sterne Schein …“
    Ich sang mit:
    „Die Vögel still in ihren Nestern,
Und ich werd es auch bald sein …“
    „Siehst du?“, sagte sie. „Ich sagte, wir würden dich zum Singen bringen.“
    Die Nacht wurde dunkler und wir wussten, wir würden bald nach Hause gehen müssen.
    „Ich könnte hier schlafen“, sagte sie. „Einfach so. Und für immer glücklich sein.“
    Ich seufzte. „Aber wir müssen gehen.“
    Wir bewegten uns nicht. Und dann rauschte es plötzlich in der Luft, die Sterne waren verdeckt, das Fenster knarrte, und da war er und stieg durch das Bogenfenster herein. Er sah uns nicht. Er kauerte auf dem Boden, schnappte nach Luft. Seine Flügel falteten sich langsam zusammen.
    „Skellig“, flüsterte ich.
    Er drehte uns sein mondblasses Gesicht zu. „Michael. Mina“, sagte er. Seine Stimme klang schwach, dünn, überanstrengt, aber auf seinem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. Ich hielt ihm die Papiertüte hin.
    „Dies haben wir dir mitgebracht, Skellig. 27 und 53.“
    „Ha!“
    Ich öffnete die Tüte und wir reichten sie ihm. Wir knieten neben ihm. Er hakte mit seinem langen gekrümmten Finger ins Essen, zog eine Schnur aus Soße, Schweinefleisch und Bohnensprossen heraus. Er leckte sich alles mit seiner blassen Zunge vom Finger ab.
    „Süßester Nektar“, flüsterte er. „Die Speise der verflixten Götter.“
    „Und dies“, sagte ich.
    Ich klickte die Flasche auf und er ließ mich ihm das Bier in seinen offenen Mund gießen.
    „Dachte, es gäbe kalte Mäuse zum Abendessen, und komme heim zu einem Festessen.“
    Er aß weiter, seufzte vor Zufriedenheit.
    „Zwei Engel“, sagte er, „das seid ihr beiden.“
    Wir sahen zu, wie er aß und trank, sahen, wie er Kraft schöpfte.
    „Du warst bei meiner Schwester“, sagte ich.
    Er lachte. „Hm! Hübsches kleines Mädchen.“
    „Du hast sie stark gemacht.“
    „Sie strahlt vor lauter Leben. Ein feuriges Herz. Sie war es, die mir Kraft gab.“
    Er nippte wieder am Bier.
    „Aber jetzt bin ich völlig erschöpft“, sagte er. „Geschafft.“
    Er streckte den Arm aus und berührte Minas Gesicht, dann meines.
    „Aber ich komme wieder zu Kräften, den Engeln und den Käuzen sei Dank.“
    Er stellte das Essen und
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