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Zeit des Mondes

Zeit des Mondes

Titel: Zeit des Mondes
Autoren: Ravensburger
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sicher sind, dass es nicht gefährlich ist?“
    Ich machte einen Schritt zurück und sah sie an.
    „Haben wir das nicht gesagt?“, rief sie.
    „Ja“, sagte ich.
    „Dann bleib draußen! Verstanden?“
    Ich gab der Tür einen Stoß und sie hing halb geschlossen an der einzigen Türangel.
    „Verstanden?“, rief sie.
    „Verstanden“, sagte ich, „ja. Verstanden.“
    „Wir haben doch wohl größere Sorgen, als dass du Blödmann in der blöden Garage zerquetscht wirst?“
    „Ja.“
    „Du bleibst also draußen! Ja?“
    „Ja. Ja, ja, ja.“
    Dann ging ich wieder in den Garten, den wir Wildnis nannten, und sie ging zum fiebernden Baby zurück.

3
    Auch der Garten sollte einmal wunderschön werden. Bänke und ein Tisch und eine Schaukel sollten angeschafft werden. Auf die Hauswand würde man Fußball-Torpfosten malen. Einen Teich mit Fischen und Fröschen würde man anlegen. Aber noch war nichts von dem da. Nur Nesseln und Disteln und Unkraut und halbe Ziegelsteine und Steinhaufen. Ich stand da und kickte Millionen Löwenzahnköpfe weg.
    Nach einer Weile rief Mama, ob ich zum Mittagessen hereinkäme, und ich sagte: nein, ich bliebe draußen im Garten. Sie brachte mir ein belegtes Brot und eine Dose Cola.
    „Entschuldige, es ist alles so elend und wir sind alle in einer so elenden Stimmung“, sagte sie.
    Sie berührte meinen Arm.
    „Aber du verstehst das doch. Nicht wahr, Michael? Oder?“
    Ich zuckte mit den Schultern.
    „Ja“, sagte ich.
    Wieder berührte sie mich und seufzte.
    „Es wird hier einmal wunderschön sein, wenn alles aufgeräumt ist“, sagte sie.
    Ich saß auf einem Ziegelsteinhaufen an der Hauswand. Ich aß das belegte Brot und trank die Cola. Ich dachte an die Random Road, aus der wir weggezogen waren, und an alle meine alten Freunde, zum Beispiel an Leakey und Coot. Sicher spielten sie jetzt auf dem besten aller Fußballplätze ein Match, das den ganzen Tag dauern würde.
    Dann hörte ich es an der Tür klingeln und hörte Doktor Tod hineingehen. Ich nannte ihn Doktor Tod, weil sein Gesicht grau war und auf seinen Händen schwarze Flecken waren, und lächeln konnte er auch nicht. Einmal hatte ich gesehen, wie er sich in seinem Auto eine Zigarette anzündete, als er von uns wegfuhr. Sie sagten mir, ich solle ihn Doktor Dan nennen, und das tat ich, wenn ich mit ihm sprechen musste, aber für mich war er Doktor Tod; es passte viel besser zu ihm.
    Ich trank die Cola aus, wartete einen Augenblick, dann ging ich wieder zur Garage. Ich hatte keine Zeit, dem Kratzen zuzuhören oder lange zu überlegen, ob ich es wagen sollte. Ich knipste die Taschenlampe an, holte tief Luft und schlich auf Zehenspitzen geradewegs hinein.
    Etwas kleines Schwarzes trippelte über den Boden. Die Tür knarrte und krachte einen Augenblick lang, dann war es still. Staub strömte durch den Lichtstrahl der Taschenlampe. Irgendetwas kratzte und kratzte in einer Ecke. Ich ging auf Zehenspitzen weiter hinein, spürte Spinnweben an meiner Stirn zerreißen. Alles lag durcheinander. Kücheneinrichtungen, aufgerollte Tapeten, Rohre und Körbe und Bretter. Ich duckte mich unter den Wasserschläuchen, Seilen und Werkzeugtaschen, die vom Dach herabhingen. Immer mehr Spinnweben blieben an meinen Kleidern und an meiner Haut hängen. Der Boden war rissig und bröckelte. Ich öffnete einen Schrank einen Spaltbreit, leuchtete mit der Taschenlampe hinein und sah eine Million Holzkäfer wegrennen. Ich schaute in einen großen Steinkrug und sah die Knochen irgendeines kleinen Tiers, das darin gestorben war. Tote Schmeißfliegen lagen überall herum. Uralte Zeitungen und Zeitschriften. Ich beleuchtete eine von ihnen mit der Taschenlampe und sah, dass sie fast fünfzig Jahre alt war. Ich bewegte mich ganz vorsichtig. Ich fürchtete andauernd, dass alles zusammenbrechen würde. Staub verklebte mir Nase und Mund. Ich wusste, bald würden sie nach mir rufen, und ich wusste, ich sollte eigentlich hinausgehen. Ich lehnte mich gegen einen Stapel Teekisten und leuchtete mit der Taschenlampe in den Raum dahinter, und dann sah ich ihn.
    Ich dachte, er sei tot. Er saß mit ausgestreckten Beinen da, sein Kopf war nach hinten gegen die Wand gelehnt. Er war mit Staub und Spinnweben bedeckt wie alles andere und sein Gesicht war dünn und blass. Tote Schmeißfliegen lagen auf seinen Haaren und Schultern. Ich leuchtete mit der Taschenlampe in sein weißes Gesicht und auf seinen schwarzen Anzug.
    „Was willst du?“, sagte er.
    Er öffnete die Augen und
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