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Mr. Postman

Mr. Postman

Titel: Mr. Postman
Autoren: Jason Dark
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Es war nicht besonders hell im Zimmer. Die Beleuchtung reichte gerade aus, um die graue Fläche des Monitors erkennen zu können. Wie eine in der Luft schwebende Leinwand malte sie sich ab.
    Der Mann davor saß auf einem Stuhl. Er schaute sich selbst an. Nicht im Spiegel, sondern im Viereck des Monitors. Dort malte sich sein Gesicht schwach ab. Die Haare dunkler als die übrige Fläche. Die Gesichtszüge allerdings verschwammen, und dies passierte auf eine ungewöhnliche Art und Weise.
    Obwohl der Mann sich nicht bewegte, ging in seinem Gesicht etwas vor. Es entwickelte ein Eigenleben. Die Haut wanderte über die Knochen hinweg. Sie spannte sich dabei an verschiedenen Stellen und wurde sehr straff. So straff, dass sie überdehnte und riss.
    Knochen erschienen. Gelbliches Gebein. Augenhöhlen waren plötzlich vorhanden. Es gab keine Lippen mehr, keine Nase. Nur noch Löcher, in denen die Dunkelheit lauerte. Finstere Schächte. Unheimlich anzusehen.
    In Tiefen weisend, die das Grauen anderer Welten beinhalteten.
    Der Mann war zufrieden. Er lachte. So wie er lachte kein Mensch. Es waren glucksende Laute, tief in der Kehle geboren, die aus dem offenen Loch des ehemaligen Mundes drangen. Geräusche, die nicht aufhörten, sich verstärkten und sich dabei auch auf irgendeine Art und Weise auf den Sitzenden übertrugen, denn sein Körper wurde durchgeschüttelt.
    Auf dem Monitor bewegte sich die Skelettfratze. Sie zuckte. Sie hüpfte hin und her, und aus den Augenhöhlen rannen dunkle Streifen hervor, die nur schwarz aussahen, es aber nicht waren. Die zittrigen Fäden schimmerten in einem dunklen Rot und bestanden aus Blut.
    Erst jetzt war der Mann zufrieden und nickte sich selbst zu…
    ***
    Lilian Evans stand vor dem Spiegel. Wie jeden Morgen, wie so oft. Es gehörte zu ihren Lieblingsbeschäftigungen, denn sie hatte Zeit, viel Zeit.
    Da ihr Mann wochentags unterwegs war, fühlte sich Lilian als eine grüne Witwe. Eine Frau, die allein gelassen wurde mit all ihrem Frust.
    Finanziell ging es ihr gut, aber das Geld war nicht alles. Auch innerhalb der Woche brauchte sie jemanden, mit dem sie reden konnte. Der auch mal mit ihr ins Bett stieg, darauf aber musste die kinderlose Frau verzichten, wenn Barry unterwegs war, um das Computergeschäft anzukurbeln. Er war Vertriebsleiter einer Firma, die CD-ROMs auf den Markt brachte, und musste entsprechend viele Kunden besuchen.
    An den Wochenenden war er zumeist ausgepowert. Da wollte er nur seine Ruhe haben, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Er konnte nicht begreifen, dass eine fünfunddreißigjährige Frau keine sexuelle Altlast war, sondern mitten im Leben stand.
    Lilian seufzte. Wie oft hatte sie versucht, ihrem Mann das beizubringen. Es war nicht möglich gewesen. Sie hatte gegen eine Wand geredet und ihn nur immer abwinken sehen. Dabei wollte sie nicht daran glauben, dass ein Mann wie er keine Affären hatte, denn die Abende verbrachte er sicherlich nicht allein.
    Beweise dafür hatte Lilian nicht gefunden. Ihr Misstrauen war trotzdem nicht gewichen, und sie hatte das Fremdgehen ihres Mannes für sich selbst als Tatsache akzeptiert.
    Wie du mir, so ich dir! Nach diesem Motto hatte sie schließlich gehandelt und sich ebenfalls hin und wieder einen Liebhaber gegönnt.
    Nicht sehr oft, aber ihr reichte es aus. So konnte sie an den Wochenenden die glückliche Ehefrau spielen, weil sie Tage zuvor ihren sexuellen Frust hatte ablassen können. Lilian hatte sich arrangiert und lächelte ihrem Spiegelbild jetzt zu.
    Schlecht sah sie nicht aus, auch wenn ihre Haare blondiert waren, da sie die ursprüngliche Farbe, dieses sehr fahle Blond, einfach nicht mehr sehen konnte. So leuchteten sie jetzt wie reifer Weizen, hochgesteckt zu einer Turmfrisur. Ein wenig erinnerte sie an Ivana Trump, eine Frau, die sie mochte. Sie war für Lilian ein Vorbild, denn sie hatte es ihrem Mann so richtig gezeigt.
    Das tat Lilian auch, nur eben auf ihre Art und Weise.
    Der Spiegel war breit. Er war vor allen Dingen ehrlich. Er zeigte alles in ihrem Gesicht. Auch leider die kleinen Falten, die sich heimlich in die Haut hineingegraben hatten. Draußen dämmerte es bereits. Das Licht fiel von zwei verschiedenen Seiten auf den Spiegel und auch auf die davor sitzende Frau.
    Um die Augen herum waren die Falten besonders gut zu sehen, was ihr gar nicht passte. Sie beugte sich der Fläche noch weiter entgegen und sorgte dafür, dass die Haut straffgezogen wurde, damit von den Falten nichts mehr zu sehen war.
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