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Zeit des Lavendels (German Edition)

Zeit des Lavendels (German Edition)

Titel: Zeit des Lavendels (German Edition)
Autoren: Petra Gabriel
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aufgeschürft hatte. Nun, sie war eindeutig keine vier Jahre mehr. Und wenn er sie so ansah ... Teufel auch! Wieder hätte er sie am liebsten berührt. Und wieder einmal widerstand er diesem Impuls. Er kannte sie zu gut. Er fühlte, dass sie den Freund brauchte. Doch für den Mann war sie noch nicht bereit.
    Katharina bemerkte nicht einmal, welchen inneren Kampf ihr Gefährte mit sich austrug. Unwillig sah sie ihn an. »Was lachst du? Ich finde das alles nicht komisch. Was hat sie denn getan, um Äbtissin und Reichsfürstin zu werden, außer dass sie adelig geboren ist?«
    »Katharina, versündige dich nicht. Gott muss ihre Stühlung wohl gewollt haben. Vielleicht hat er darum den schwarzen Tod über uns gebracht.«
    »Von Gott gewollt! Das sagst ausgerechnet du, dessen Vater vor gut 20 Jahren in Waldshut gehenkt wurde, weil er mit den Bauern und dem Geheimbund des Bundschuh gegen diese Pfaffen und Blutsauger zog? Hast du all die Getöteten, all das Blut vergessen, das damals die Felder tränkte, als der Kaiser seine Soldaten schickte? All die abgehackten Gliedmaßen, die ausgestochenen Augen, die geschändeten Frauen? Und das alles nur, weil sie den Grundherren nicht länger ihr Korn bringen wollten, während ihre Kinder hungerten. Weil sie nicht länger gezwungen werden wollten, für die Pfaffen zu arbeiten, während die sich ihre Frauen griffen. Weil sie sich nicht damit abfinden wollten, dass die Kinder die Schweine nicht mehr zum Fressen in die Flussauen treiben durften. Ohne die Allmende, die Bündten und Gärten auf überlassenem Land oder das Weiderecht für ihre Schweine und Ziegen in den Flussauen und Wäldern konnten sie nicht existieren. Das hast du mir oft genug erklärt. Und hast nicht du selbst mir von den Predigten erzählt, die Pfarrer Balthasar Hubmaier einst in Waldshut hielt? Hat er denn nicht gesagt, dass die Menschen keine Almosen brauchen, sondern ihr Recht und ihre Freiheit, dass wir alle gleich sind vor Gottes Angesicht? Und hat nicht der große Luther selbst gegen die Pfaffen und den Adel gepredigt, die das Land und die Menschen aussaugen wie Blutegel? Bist du es nicht, der sich nachts heimlich in die Wälder schleicht zu geheimnisvollen Treffen, von denen du mir nie etwas erzählen willst? Bist du es nicht, der sagt, der Bundschuh ist noch lange nicht tot? Und nun nimmst du selbst diese ... diese Scheinwahl hin.«
    Ihre Augen funkelten grün vor Empörung. Sie erhob sich abrupt und strich den Rock glatt. Eine alltägliche Geste. Doch Konz sah, dass sie am ganzen Körper zitterte.
    »Das alles ist rund 20 Jahre her.« Konz fühlte, wie er immer gereizter wurde, eine unbestimmte Angst stieg in ihm hoch. Er musste ihr im Stillen Recht geben. Aber er musste sie auch daran hindern, weiter solche Reden zu führen. Sonst verriet sie sich am Ende noch, vergaß wie sehr sie als Hörige auf der Hut sein musste. Das konnte gefährlich werden in diesen Zeiten. Sehr gefährlich. Mehr als einmal waren Menschen, die solche Reden führten, in den letzten Jahren einfach verschwunden.
    »Du solltest wirklich aufpassen, was du sagst, Katharina. Du bist doch kein kleines Kind mehr, das einfach alles heraussprudelt ohne Gedanken an die Folgen. Außerdem bist du zu jung, um dich an den Bundschuh zu erinnern. Und du weißt genau, die Bauern haben nicht vergessen. Ich auch nicht. Der Kampf ist für die hochwohlgeborenen Herren noch lange nicht vorbei. Das Vergessen können sich nur die Reichen leisten. Aber sprich nicht über den Bundschuh. Nie wieder. Niemand darf wissen, dass er noch immer existiert. Es könnte dein Tod sein — und auch meiner.« Er spürte, wie sich seine Gesichtsmuskeln verkrampften.
    Katharina nickte. Ja, es gab sie noch, die Rebellen. Kleine Horden, die durch die Wälder des Hotzenwaldes streiften und sich nahmen, was sie brauchten. Offiziell wusste niemand etwas von ihnen. Aber hinter vorgehaltener Hand wurde so manches erzählt. Und Konz, der Mann vor ihr, war einer von ihnen. Er half den Aufständischen, den Vogelfreien und Verdammten, wo er nur konnte. Ihr Gesicht wurde weicher, sie musterte ihn fast zärtlich.
    Der Klang der Glocken, die aus den hohen, spitzen Türmen des Fridolinsmünsters zum Abendgebet riefen, ließ sie zusammenzucken. Sie legte ihre Hand leicht auf seinen Arm. Konz spürte, wie ihm an dieser Stelle ganz heiß wurde. Wieder drängte es ihn, sie in den Arm zu nehmen. Doch sie war schon einen Schritt zurückgetreten. Der kurze Moment der Nähe, den sie ihm gestattet
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