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Zeit des Lavendels (German Edition)

Zeit des Lavendels (German Edition)

Titel: Zeit des Lavendels (German Edition)
Autoren: Petra Gabriel
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jedenfalls der einzige Mensch, der verstehen konnte, was in ihr vorging, ohne dass sie viel erklären musste.
    »Katharina, komm endlich, wir müssen zurück.« Konz Jehle von der Niedermühle fühlte, wie Nervosität in ihm aufstieg. Die Rinde der Weide, an der er lehnte, drückte langsam schmerzhaft durch sein dünnes Wams, und die Beine schliefen ihm ein. Doch das Mädchen rührte sich noch immer nicht, kräuselte nur ärgerlich die Nase und blies eine kleine, lockige Strähne rotbraunen Haares zur Seite. Sie saß einfach da auf diesem alten Steg mit den halb verfaulten Bohlen und malte mit ihrem linken großen Zeh Kreisel in das Wasser des Flusses. Seit sie vor einer halben Stunde gekommen war, hatte sie noch kein Wort gesprochen. Äußerlich wirkte sie völlig ruhig. Doch er konnte fühlen, wie es in ihr brodelte.
    Über den Hügeln auf der anderen Seite des Flusses türmten sich inzwischen immer mehr dunkle Wolken zu klobigen, drohenden Gesichtern. Die Sonne schickte immer wieder Lichtbündel durch die grauschwarzen Wolkenberge, die sich in schillernde Punkte auf dem Wasser verwandelten. Der dumpfe Druck der Schwüle lag nun wie eine Glocke über dem Land und machte alles, was er berührte, träge, fast bewegungsunfähig.
    Wie oft hatte er Katharina schon so beobachtet, unwillkürlich angezogen von dieser seltsamen, nicht greifbaren Faszination, die sie auf ihn ausübte. Wie immer hatten sich einige Strähnen aus der sorgsam aufgesteckten Ordentlichkeit ihres geflochtenen, schweren Haarkranzes gelöst, spickten unter der kleinen Leinenhaube hervor und ringelten sich an ihrem gebeugten, schmalen Nacken. Da war der bekannte braune Tuchrock mit dem geschnürten, grob gewebten, grünen Mieder. Ein abgerissener Zipfel des Rocksaumes hing ins Wasser. Doch das störte sie nicht. Die hohen Wangenknochen verstärkten den katzenartigen Ausdruck ihres Gesichtes. Das vom vielen Waschen zerschlissene, leinerne Unterkleid mit dem geschnürten Oberteil hatte einen Schweißfleck gleich oben am runden Ausschnitt, der sich über den Ansatz ihrer vollen Brüste schmiegte. Der Fleck zog seinen Blick förmlich an. Nein, sie war kein Kind mehr, sondern eine Frau. Und seine Reaktion auf sie war mehr als eindeutig. Hastig zog er sich etwas weiter in den Schatten der Weide zurück. Er wollte nicht, dass sie sah, in welche Verlegenheit sie ihn brachte.
    Das ferne Grollen des Donners wirkte wie eine kalte Dusche auf ihn. »Katharina, wir müssen wirklich aufbrechen. Du wirst sonst Ärger bekommen. Die Äbtissin braucht dich.«
    Sie hob den Kopf und sah ihn ein wenig schräg von der Seite an, so, als hätte er etwas besonders Komisches gesagt, dem man mit Nachsicht begegnen müsste. Sie machte aber keinerlei Anstalten aufzustehen. Der wilde Tanz des Lichtes auf dem Wasser spiegelte sich in ihren Augen. Noch immer rührte sie sich nicht.
    »Katharina!« Seine Stimme wurde noch um eine Spur drängender.
    »Eine schöne Äbtissin.« Katharinas Gesicht verhärtete sich. »Es hat doch gar keine richtige Wahl des Segginger Kapitels gegeben, so wie es seit Bestehen des Stiftes der Brauch ist. Der Gerbermüller hat es seiner Tochter erzählt. Ich habe es genau gehört. Der Bischof hat sie bestimmt. So war es doch, oder?«
    »Katharina, sprich vorsichtiger. Du redest dich noch um Leib und Leben. Außerdem, was weißt du schon? Hättest du lieber Ursula von Heudorf als neue Äbtissin gesehen? Sie ist das einzige andere Stiftsfräulein, das übrig ist. Alle anderen sind an Altersschwäche gestorben oder an der Pest, wie Äbtissin Kunigunde von Hohengeroldseck.«
    Katharina schüttelte sich. »Erinnere mich nicht an dieses bärbeißige Biest, diese alte Hexe Kunigunde. Ich habe sie einmal durch das Schlüsselloch beim Ausziehen beobachtet und gesehen, dass sie ein Muttermal hat. Wirklich, genau wie eine Hexe!« Sie bekreuzigte sich hastig. »Und haarig war es auch noch. Aber die Pest hat sie doch noch geholt, die hohe Frau. Als Letzte von allen. Da war sie auch nicht anders als jene 200, denen der schwarze Tod allein in Laufenburg das Licht ausgeblasen hat. Ich hoffe, sie schmort jetzt in der Hölle.« Katharina atmete tief durch.
    Konz musste unwillkürlich laut auflachen. Katharina wirkte fast kindlich in ihrem rebellischen Zorn, der ihr die Röte in die Wangen trieb. Am liebsten hätte er sie in die Arme genommen und getröstet wie einst als Vierzehnjähriger die vierjährige kleine Rotznase, wenn sie wieder einmal gefallen war und sich die Knie
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