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Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Titel: Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
Autoren: Lee Child
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Angst vor großen Städten gehabt. Dementsprechend war er erzogen worden. Großstädte sind gefährlich , hatte sie ihm erklärt. Dort wimmelt es nur so von harten Burschen, vor denen einem angst und bange wird . Er war selbst ein ziemlich harter Junge gewesen, aber als Teenager hatte er ihr nur zu gern geglaubt. Und er hatte am eigenen Leib erlebt, dass sie Recht hatte. Die Leute auf der Straße wirkten ängstlich, zugeknöpft und abweisend. Sie achteten auf Abstand und
wechselten auf die andere Straßenseite, wollten ihm offensichtlich aus dem Weg gehen. Und zwar so offensichtlich, dass er allmählich glaubte, die harten Jungs, vor denen man Angst haben musste, wären unmittelbar hinter ihm. Bis ihm mit einem Mal klar wurde, dass er derjenige war, vor dem sie Angst hatten. Es war wie eine Offenbarung. Er schaute auf sein Spiegelbild im Schaufenster und konnte durchaus verstehen, wie es dazu kam. Mit fünfzehn war er bereits ausgewachsen, einsfünfundneunzig groß und gut hundert Kilo schwer. Ein Hüne. Gekleidet wie ein Penner, wie damals fast alle Teenager. Mit ausdrucksloser, undurchdringlicher Miene, weil er ja vorsichtig war, so wie seine Mutter es ihm eingetrichtert hatte. Die haben Angst vor mir. Er fand das lustig und lächelte vor sich hin, worauf die Leute noch mehr Abstand hielten. Von da an war ihm klar, dass es in großen Städten genauso zuging wie überall und dass auf einen Großstädter, vor dem er Angst haben musste, neunundneunzig andere kamen, die vor ihm Angst hatten. Er nutzte diese Erkenntnis zu seinem taktischen Vorteil, und die Ruhe und das Selbstbewusstsein, die sich in seinem Gang und seiner Miene ausdrückten, verschafften ihm bei den Menschen noch mehr Respekt. Die Dynamik der Großstadt.
    Fünf Minuten vor Ablauf der vollen Stunde trat er aus dem Schatten und stellte sich an die Ecke, lehnte sich an die Ziegelwand des Restaurants und wartete weiter. Er hörte die Opernmusik, deren Töne leise, wie gehaucht, durch die Glastür neben ihm drangen. Holpernd und scheppernd rollte der Verkehr durch die mit Schlaglöchern übersäte Straße. An der gegenüberliegenden Ecke befand sich eine Bar mit lautstark laufender Lüftung, die Dampfschwaden in den Schein der Neonlichter blies. Es war kalt, und die Menschen auf dem Gehsteig hasteten mit eingezogenem Kopf und in dicke Schals gemummt vorüber. Er ließ die Hände in den Taschen und beobachtete den vorbeiströmenden Verkehr.
    Die zwei Typen waren auf die Minute pünktlich. Sie kamen mit einem schwarzen Mercedes, der einen Häuserblock entfernt hart an der Bordsteinkante anhielt, worauf die Lichter ausgingen und beide Vordertüren gleichzeitig aufgestoßen wurden. Mit wehenden Mänteln stiegen sie aus, öffneten die Hintertüren und holten Baseballschläger vom Rücksitz. Sie schoben sie unter ihre Mäntel, knallten die Türen zu, blickten sich einmal um und setzten sich dann in Bewegung. Sie hatten rund zehn Meter Gehsteig vor sich, mussten dann die Straße überqueren und noch mal zehn Meter zurücklegen. Große, selbstbewusste Jungs, die locker und lässig ihres Wegs zogen, mit weit ausholenden Schritten. Reacher stieß sich von der Wand ab und ging ihnen entgegen, als sie auf den Gehsteig traten.
    »In die Gasse, Jungs«, sagte er.
    Von nahem wirkten sie ziemlich eindrucksvoll. Zumal sie zu zweit und ziemlich jung waren, noch keine dreißig. Massig, kompakt, stiernackig, und obwohl das viele Fleisch nicht unbedingt harte Muskulatur war, erfüllte es doch seinen Zweck. Dazu Seidenkrawatten, Hemden und Anzüge, die nicht von der Stange kamen. Beide hatten die Schläger auf der linken Seite senkrecht unter den Mänteln stecken und hielten sie mit der linken Hand durch das Taschenfutter fest.
    »Wer, zum Teufel, sind Sie?«, wollte der Typ zur Rechten wissen.
    Reacher warf ihm einen Blick zu. Der Typ, der zuerst das Wort ergreift, ist immer der Anführer, und wenn man allein gegen zwei antreten muss, schaltet man zunächst den Anführer aus.
    »Wer, zum Teufel, sind Sie?«, fragte der Typ noch mal.
    Reacher trat einen Schritt nach links und drehte sich um, so dass er den Gehsteig versperrte und sie in Richtung Gasse lotste.
    »Der Geschäftsführer«, erwiderte er. »Wenn ihr Geld wollt, müsst ihr euch an mich halten.«
    Der Typ zögerte. Dann nickte er. »Okay, aber nicht in der Gasse. Wir machen das drin.«
    Reacher schüttelte den Kopf. »Nicht logisch, mein Freund. Wir geben euch Geld, damit ihr euch von dem Restaurant fern haltet, und
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