Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Titel: Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
Autoren: Lee Child
Vom Netzwerk:
beiden, etwa Mitte Dreißig, wirkten müde, abgespannt und leicht schlampig. Offenbar kamen sie einigermaßen gut miteinander aus, auch wenn sie nicht viel redeten.
    Die zwei Typen an der Bar hingegen redeten. So viel stand fest. Sie waren vornüber gebeugt und sprachen schnell und eindringlich auf den Inhaber ein, der an der Kasse stand und
sich seinerseits zurückgelehnt hatte. Es war, als ob sie alle drei von einem heftigen Windstoß erfasst worden wären, der durch den Raum fegte. Die zwei Typen waren überdurchschnittlich groß und kräftig. Beide trugen dunkle Wollmäntel, durch die sie noch breiter und wuchtiger wirkten. In dem matten Spiegel hinter den Schnapsflaschen konnte Reacher ihre Gesichter sehen. Brauner Teint, dunkle Augen. Keine Italiener. Syrer möglicherweise oder Libanesen, Nachkommen der Einwanderergeneration, die nichts mehr vom arabischen Laissez-faire an sich hatten. Anschaulich und mit aller Entschiedenheit legten sie gerade ihren Standpunkt dar. Der Typ zur Rechten machte eine weit ausholende Armbewegung. Offenbar sollte das einen Baseballschläger darstellen, mit dem die Flaschen vom Regal gefegt wurden. Dann ließ er die Hand herabsausen, führte vor, wie die Regale zertrümmert wurden. Mit einem Schlag sind sie von oben bis unten zerdeppert , deutete er an. Der Inhaber wurde blass. Er warf einen kurzen Blick zur Seite, auf seine Regale.
    Dann schob der Typ auf der linken Seite seine Manschette hoch, tippte auf das Zifferblatt seiner Uhr und wandte sich zum Gehen. Sein Partner richtete sich auf und folgte ihm. Er fuhr mit der Hand über den nächstbesten Tisch und fegte einen Teller zu Boden. Das laute Scheppern, mit dem er auf den Fliesen zerschellte, übertönte die Opernmusik. Der rotblonde Mann und die dunkelhaarige Frau saßen reglos da und schauten weg. Langsam gingen die beiden Typen zur Tür, erhobenen Hauptes, selbstbewusst. Reacher sah ihnen hinterher, bis sie draußen auf dem Gehsteig waren. Dann kam der Inhaber hinter der Bar hervor, kniete sich hin und fegte die Einzelteile des zerbrochenen Tellers mit den Fingerspitzen zusammen.
    »Alles okay?«, rief ihm Reacher zu.
    Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, war ihm schon klar, wie dumm sie klingen mussten. Der Inhaber zuckte nur
die Achseln und zog eine jämmerliche Miene. Mit hohlen Händen wischte er die Scherben auf dem Boden zu einem Haufen zusammen. Reacher schob seinen Stuhl zurück, stand vom Tisch auf, breitete seine Serviette auf der Fliese neben ihm aus und fing an, die Teile einzusammeln. Das fünf Tische entfernt sitzende Pärchen beobachtete ihn.
    »Wann kommen sie zurück?«, fragte Reacher.
    »In einer Stunde«, sagte der Inhaber.
    »Wie viel wollen sie?«
    Wieder zuckte der Inhaber die Achseln und lächelte bitter.
    »Ich bekomme zur Einführung einen Sonderpreis«, sagte er. »Zweihundert pro Woche. Wenn das Lokal besser läuft, steigt er auf vierhundert.«
    »Wollen Sie zahlen?«
    Der Mann machte erneut eine bedrückte Miene. »Ich möchte im Geschäft bleiben. Aber zwei Hunderter pro Woche helfen mir dabei nicht gerade.«
    Der rotblonde Typ und die dunkelhaarige Frau schauten zur gegenüberliegenden Wand, hörten aber genau zu. Die Opernmusik wurde getragener und ging in eine Arie über, die die Diva mit einem tiefen, klagenden Moll-Ton anstimmte.
    »Wer sind die?«, fragte Reacher leise.
    »Keine Italiener«, antwortete der Inhaber. »Einfach irgendwelche Dreckskerle.«
    »Darf ich Ihr Telefon benutzen?«
    Der Inhaber nickte.
    »Kennen Sie ein Geschäft für Bürobedarf, das so spät noch auf hat?«, fragte Reacher.
    »Am Broadway, zwei Straßen weiter«, erwiderte der Mann. »Wieso? Haben Sie noch was Geschäftliches zu erledigen?«
    Reacher nickte.
    »Ja, was Geschäftliches«, sagte er.
    Er stand auf und begab sich hinter die Bar. Neben dem Buch für die Reservierungen stand ein neues Telefon. Das Buch sah aus, als wäre es noch nie aufgeschlagen worden. Er nahm den Hörer ab, wählte eine Nummer und wartete einen Moment, bis etwa eine Meile weiter weg und vierzig Stockwerke höher abgenommen wurde.
    »Hallo?«, sagte sie.
    »Hey, Jodie«, sagte er.
    »Hey, Reacher, was gibt’s?«
    »Bist du bald fertig?«
    Er hörte sie seufzen.
    »Nein, das hier geht die ganze Nacht«, sagte sie. »Komplizierte Rechtslage, und wie üblich hätten sie meine Meinung dazu bis vorgestern gebraucht. Tut mir sehr Leid.«
    »Mach dir keine Gedanken«, beruhigte er sie. »Ich habe was zu erledigen. Danach fahre ich, glaube
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher