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Zehn zärtliche Kratzbürsten

Zehn zärtliche Kratzbürsten

Titel: Zehn zärtliche Kratzbürsten
Autoren: Arto Paasilinna
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hievten den Sarg auf den Karren, und der Vorgang begann von vorn.
    Der Trauerchoral wurde ein zweites Mal gesungen. Jetzt senkten die Träger den Sarg würdevoll und ohne Zwischenfälle ins Grab, sie hatten aus der Erfahrung gelernt.
    Selten sah man auf dem Friedhof von Malmi ein so üppiges Bl u menmeer wie jenes auf dem Grabhügel von Tarjas Patentante. Als Letzte legten Industrierat Rauno Rämekorpi und Taxifahrer Seppo Sorjonen ihre Sträuße nieder. Nach Abschluss der Zeremonie gab der Pastor den Angehörigen die Hand und eilte dann herbei, um die des Industrierates zu schütteln.
    Pastor: Mein tiefes Mitgefühl. Gleichzeitig nutze ich die Gel e genheit, Sie zu Ihrem Titel zu beglückwünschen, Herr Industrierat. Ich las davon heute Morgen in der Zeitung, denn dort war, außer Ihrem Geburtstagsinterview, auch eine entsprechende Notiz in der Spalte mit den Ehrentiteln. Rein zufällig wurde mein geistiger Vater, ein pensionierter Pastor aus der Grenzregion, bei gleicher Gelege n heit zum Probst ernannt. Er wohnt heutzutage in Sodankylä, ist schon seit Jahren in Rente.
    Rauno: Ich stamme ebenfalls aus Sodankylä.
    Pastor: Die Verstorbene wurde sehr geschätzt und geliebt …, w a ren Sie etwa auch …?
    Tarja Salokorpi hakte Rauno unter.
    Tarja: Nein. Ich nehme hier teil, weil Saara meine Patentante war. Dieser Herr begleitet mich.
    Der Pastor holte einen Notizblock aus der Tasche seines Talars, schlug die Bibel auf, blätterte eine Weile darin und schrieb dann einige Worte auf einen Zettel.
    Pastor: Da wir uns nun hier begegnet sind, gestatten Sie mir, I h nen zur Erinnerung und als geistige Stütze für Ihre kommenden Jahre einen Bibelspruch zu überreichen, bitte sehr. Es sind die Verse eins und zwei aus dem Buch des Jesaja, Kapitel 9. Nochmals meinen Glückwunsch, und natürlich auch mein Beileid.
    Als sie den Pastor los waren, konnten sie in Tarjas Wohnung z u rückkehren. Sorjonen schlug vor, dass er ein, zwei andere Touren machen könnte, während sich der Industrierat bei der trauernden Dame aufhielt. Er war der Meinung, dass alle Anzeichen auf eine längere Gedenkfeier hindeuteten.
    Ein ausgezeichneter Vorschlag.
    Tarja und der Industrierat begannen mit einer gedämpften Feier zu Ehren der Patentante. Das Mulattenmädchen Sirena füllte die Gläser mit schäumendem Champagner, der bereits gut gekühlt war. Dann ging sie zur Ballettstunde. Beim Abschied legte sie ihrer Mutter noch ans Herz, nicht zu viel zu trinken.
    Wer war Saara eigentlich gewesen? Welches Leben hatte sie g e führt?
    Tarja erzählte, dass Saara Lankinen bei ihrem Tod fast siebzig gewesen war, eine einst schöne und sinnliche Frau, die aus der Gegend um Kotka stammte. Ihr Leben war sehr wechselvoll gew e sen: Die Arbeitertochter war in die Hauptstadt gekommen und hatte als Hilfe in einem Laden und Dienstmagd gearbeitet, hatte die Abendschule besucht und Fremdsprachen gelernt. Aber da sie schön und lebensfroh gewesen war, hatte das eintönige Leben einer Arbe i terin sie nicht reizen können. So hatte es sich ganz natürlich ergeben, dass sie den Laden gegen teure Restaurants eingetauscht hatte, sie hatte begonnen, sich zu schminken und modisch zu kleiden, ihr Leben voll auszukosten, im wahrsten Sinne des Wortes. Sie hatte viele glühende Verehrer und dadurch genügend Geld gehabt, sich zu pflegen und bequemer zu wohnen als gewöhnliche Arbeiter. Z u nächst also die übliche Geschichte eines Mädchens vom Lande, aber Saara war dennoch keine elende Straßendirne geworden, sondern die geachtete Betreiberin eines Salons, die die Möglichkeit gehabt hatte, sich ihre Gefährten nach dem Bildungsstand, dem Äußeren und den Vermögensverhältnissen auszusuchen. Ihren schlichten Familienn a men hatte sie bereits in jungen Jahren abgelegt und stattdessen die abgewandelte Version Sara Langenskiöld benutzt. Sie hatte sich eine Wohnung in Kaivopuisto gemietet, fünf Zimmer, Blick aufs Meer. Saara hatte auch ein paar Mal geheiratet, aber diese Verbindungen hielten natürlich nicht lange. Sie hatte selbst keine Kinder, und so hatte sie sich eine ganze Reihe Patentöchter gesucht, darunter Tarja. Sie hatte für ihre Ausbildung gesorgt, sie hatte immer Geld gehabt, außer in den letzten Jahren, da sie äußerlich nicht mehr so bege h renswert gewesen war. Aber die alten Freunde hatten sie nie im Stich gelassen, sie war ein anziehender und gutherziger Mensch gewesen. Das bewies auch die Schar der ehemaligen Liebhaber, die sich heute an ihrem Grab
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