Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zehn zärtliche Kratzbürsten

Zehn zärtliche Kratzbürsten

Titel: Zehn zärtliche Kratzbürsten
Autoren: Arto Paasilinna
Vom Netzwerk:
n nikki ließ die Spitze der Fichte fallen und ergriff die Flucht, denn sie hatte selbst gemerkt, dass sie zu weit gegangen war. Weihnacht s männer sind letztlich keine bösen Menschen.
    Annikki rannte schreiend in den südlichen Wald von Toppelund und in Richtung der 1905 im russisch-japanischen Krieg errichteten Bunker und Schützengräben, dabei brach sie in eine zwei Meter tiefe Maschinengewehrstellung ein.
    Der Weihnachtsmann eilte herbei, um sie zu retten , hievte seine verweinte Frau wieder auf sicheren Boden und tastete sie ab, ob womöglich ihre Glieder oder der Schädel gebrochen waren.
    Zum Glück war Annikki körperlich unversehrt. Wahrscheinlich würde sie blaue Flecke davontragen, aber die wurden im Allgeme i nen nach einem heftigen Familienstreit nicht gezählt.
    Rauno Rämekorpi umarmte seine Frau reuevoll, und schon bald herrschte wieder Eintracht zwischen den Eheleuten. Sie kauften sich eine neue Fichte, drei Meter hoch, neunhundert Mark, und trugen sie nach Hause.
    Das Weihnachtsevangelium las Annikki.
    Ausnahmsweise übertrug der Fernsehsender MTV einen Wei h nachtswerbespot, in dem zehn Kratzbürsten vom metallurgischen Know-how des Rämekorpi-Konzerns berichteten und von der Art und Weise des Direktors, das Familienunternehmen zu führen – dem zehn eiserne Ladys angehörten. Schlag unter die Gürtellinie, lautete das Thema.
    Rauno Rämekorpi und seine zungenfertige Gattin gingen vor dem Festmahl in die Weihnachtssauna. In einer Pause stand Rauno nackt auf dem Balkon und blickte nachdenklich aufs kalte Meer. Sein Körper war rein, das Gewissen nicht ganz, aber dennoch senkte sich glücklicher Weihnachtsfriede über den dampfenden Mann.
    Nach der Sauna landete das Weihnachtsmannkostüm im Wäsch e korb. Rauno zog sich geradegeschnittene Hosen, ein weißes Hemd und goldbestickte Pantoffeln an. Annikki streifte sich ein rotes Abendkleid über. Sie schmückten den Baum. Rauno hatte mittlerwe i le Übung darin, Glaskugeln und Strohsterne aufzuhängen.
    Rauno rief Seppo Sorjonen an und erkundigte sich, ob er etwa das Geschenk für die Gattin vergessen hatte.
    Nein! Der Blaufuchspelz war in Geschenkpapier verpackt, und der Wichtel war bereit, ihn dem Paar ins Haus zu bringen. Die Rechnung hatte er an die Firma schicken lassen. Während der Geschenkrunde hatte Sorjonen auch diesen Auftrag treulich erledigt.
    Annikki hatte für den Wichtel von ihrem eigenen Geld das neue s te Handy von Nokia gekauft, ein Modell, das sich für Taxifahrer eignete. Die Nummer ihres Mannes hatte sie gleich eingespeichert. Dem Gatten schenkte sie eine Seidenkrawatte, deren Farben gut zu seinen Hemden passten, den wenigen, die er für festliche Zwecke besaß.
    Zu späterer Abendstunde, als Frieden im Land und bei den Me n schen Wohlgefallen herrschte, öffnete Rauno die Glastüren des Balkons. Eine muntere Blaumeise flatterte herein, sie schwebte durch den Saal und setzte sich dann zutraulich auf einen Zweig des Wei h nachtsbaumes, direkt neben einen Engel aus Stroh. Sie schloss die Augen und begann zu schlafen.
    Annikki und Rauno bliesen die Kerzen des Tischleuchters aus und gingen eng umschlungen ins Schlafzimmer.
    Und die wackeren Eheleute, die trotz allem recht glücklich waren, wachten bis in die frühen Morgenstunden.
    Ta in a Katalainen war zur Tat geschritten. Am nächsten Morgen gab es in der Weihnachtsausgabe der Zeitung eine bebilderte Anze i ge in der Spalte Verlobungen, in der es hieß, dass sich Industrierat Rauno Rämekorpi heimlich mit seinen zehn Kratzbürsten verlobt habe und dass er mit diesem Umstand sehr zufrieden sei. Die Fotos der zehn Damen strahlten den Lesern der größten Tageszeitung entgegen, auch ein Konterfei von Rauno war zu sehen, besonders unvorteilhaft, denn es war extra für diesen Zweck ausgewählt wo r den. Eine Werbung mit Essiggeschmack, mit zu viel Pfeffer und Senf und ganz ohne Rind oder Schwein.
    Industrierat Rauno Rämekorpi starrte verblüfft auf diese riesige Verlobungsanzeige, in der ihm die Rolle des Bräutigams zugedacht war.
    Die verschiedensten Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Mit rotem Gesicht, finsterem Gemüt und nicht wenig Schuldbewusstsein knüllte er die Zeitung zusammen und warf sie in den Papierkorb. Dabei murmelte er, dass er sich einzig und allein mit seiner Frau verlobt hatte.
    Als verheirateter Mann eine Verlobung einzugehen gilt in Fin n land nämlich als Verbrechen.
     
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher