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Zehn zärtliche Kratzbürsten

Zehn zärtliche Kratzbürsten

Titel: Zehn zärtliche Kratzbürsten
Autoren: Arto Paasilinna
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hatte. Aber leider war das Sägewerk zu Beginn der Rezession in den Siebzigerjahren einem Brand zum Opfer gefallen – das war der geeignete Zeitpunkt gewesen, die Produktionsrichtung zu ändern und in die Metallbranche zu wechseln, die in Fragen des Brandschutzes nicht so sensibel wie die mechanische Holzbearbeitung war.
    Der Höhepunkt des Festes stand noch aus. Raunos Stellvertreter trat jetzt vor und überreichte ihm ein amtliches Schreiben, in dem die Staatspräsidentin bekannt gab, dass dem Firmenchef und Ingenieur Rauno Tapio Rämekorpi der Ehrentitel Industrierat verliehen worden war. Wie sich zeigte, war das Ganze rechtzeitig vor dem Jubiläum s geburtstag in die Wege geleitet worden, die Initiatoren hatten im Grunde genommen bereits zwei Monate vor dem Fest alles geregelt. Auch die Stempelsteuer war bezahlt, natürlich auf Rechnung der Firma, und ein so feierlicher Titel kostete nicht wenig, sondern stattliche 172000 Finnmark.
    Rauno: Ihr Halunken! Ich bin schon seit zwei Monaten Industri e rat, und ihr habt mir nichts gesagt! Ich hätte schon den ganzen Sommer damit angeben können … Allerdings frage ich mich, was ich mit diesem Titel anfangen soll, und er kostet so viel wie ein Luxusschlitten. Aber sei's drum, habt vielen Dank, das ist eine verdammt rührende Geste.
    Am Nachmittag, als auch die letzten Gäste gegangen waren und der Partyservice überall aufgeräumt hatte, blieben die erschöpften Eheleute allein. Die Feier hatte vor allem die Gattin ermüdet, die während der ganzen Zeit neben ihrem Mann gestanden und mit den Gästen geplaudert hatte. Jetzt umarmte sie ihn herzlich und übe r reichte ihm ein silbernes Zigarettenetui.
    Annikki: Herzlichen Glückwunsch auch von mir, Rauno. Du warst mir ein guter Partner, treu und aufmerksam, ein richtiges Goldstück von einem Mann.
    Rauno: Ohne dich hätte ich es nicht so weit gebracht, sofern denn dieses Buch und der Titel irgendetwas bedeuten.
    Annikki: Wie schrecklich, dass die Leute all die Blumen und G e schenke mitgebracht haben, sie wollten einfach nicht glauben, dass ich Asthma habe und nicht in einem solchen Kräutergarten wohnen kann.
    Rauno: Wir müssen das ganze Grünzeug aus dem Haus schaffen, in der Garage hat es auch nicht recht Platz, außerdem, wer sollte es dort bewundern? Ich muss es wohl auf die Müllkippe bringen.
    Annikki bestellte telefonisch ein Großraumtaxi. Der Fahrer, ein gewisser Sorjonen, meldete sich direkt von der Säule. Die Eheleute rissen Fenster und Türen des Reihenhauses weit auf, damit Zigarre n rauch und Blumenduft aus dem Salon abzogen.
    Rauno: Ruh dich aus, Schatz, ich bringe die Blumen auf die Müllkippe und die Reste vom Büfett in die Firma. Die Leute können nächste Woche in ihrer Mittagspause davon kosten.
    Annikki: Danke, du bist wirklich lieb.
    Rauno: Gönn dir eine Pause, ich bleibe nicht lange.
    Durch die offene Balkontür flog wieder eine Kohlmeise herein, vielleicht war es dieselbe, die dem Haus bereits am Vormittag einen Besuch abgestattet hatte. Sie flog zielstrebig auf den Lampenschirm und schaute von dort mit schräg geneigtem Kopf herab. Diesmal machte Rauno keine Anstalten, sie zu verjagen – das Fest war vorbei, die Meise störte nicht mehr. Sorjonens schmuckes Taxi fuhr auch schon vor. Mithilfe des Fahrers trug der frischgebackene Industrierat die Blumen und die Delikatessen in den Wagen. Auf die Rückbank hievten die Männer eine Kiste Champagner.
    Rauno Rämekorpi sagte sich, dass er nicht der Erste in seiner F a milie war, der einen Ehrentitel trug. Sein Onkel war seinerzeit Kirchenrat und sein Schwiegervater director musices gewesen.
     

2 Tarja
     
    Taxifahrer Sorjonen war in den Vierzigern, ein blonder Mann mit Spitzbart. Er trug die typische Schirmmütze seiner Zunft, aber keine vollständige Uniform, sondern Jeans und einen blauen Popelineblo u son. Ein sehniger, zielstrebig wirkender Mann. Er besaß ein neues Maxitaxi, in dem die Blumensträuße gut Platz hatten. Man war startklar. Der Fahrer sah Industrierat Rauno Rämekorpi an, als erkenne er ihn wieder.
    Sorjonen: Sind Sie nicht Direktor Rämekorpi? In der Morgenze i tung war ein Interview mit Ihnen, heute ist Ihr sechzigster G e burtstag, oder? Glückwunsch! Ich heiße übrigens Sorjonen, Seppo Sorjonen. Wohin fahren wir?
    Rauno: Zur Müllhalde von Ämmässuo. Ich heiße Rauno, wir kö n nen uns wohl duzen.
    Sorjonen fragte verwundert, ob der Kunde eine größere Party auf der Müllkippe veranstalten wolle, da er einen Frack
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