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Hell's Kitchen

Hell's Kitchen

Titel: Hell's Kitchen
Autoren: Thomas Adcock
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PROLOG

    Das Haus war ein kleiner Würfel, eingekeilt zwischen einem leerstehenden Lagerhaus und einem Taxiunternehmen auf der West Fifty-second in der Nähe des Hudson River. Der weiße Anstrich war durch Vernachlässigung und strenge Winter größtenteils abgeblättert. Nach einem Brand waren die winzigen Fenster im oberen Stock geschwärzt. Tagsüber schliefen dort Tauben zwischen Glasscherben und verrottetem Holz. Nachts ernährten sich Ratten vom Moos.
    Es lag etwa zweieinhalb Meter vom Bürgersteig zurück, durch den überall Unkraut sproß. Ein übermannshoher Maschendrahtzaun mit einem Tor, durch ein Vorhängeschloß gesichert, umgab den kleinen Hof. Drei Schneiderpuppen nahmen den Hof in Beschlag. Kerzengerade standen sie da, wie auf Stangen aufgespießte Vogelscheuchen. Eine trug ein Kleid mit einem Spitzenkragen und Puffärmeln. Die leeren Ärmel flatterten in der feuchten Brise, die von den Piers herüberwehte. Eine andere trug ein Herrenhemd und Krawatte. Die dritte war mit lauter Bändern und - wie es schien - billigem Modeschmuck ausstaffiert.
    Hinter den Puppen führten zwei hölzerne Stufen zu einer schmalen Tür. Die Fenster auf beiden Seiten der Tür waren mit alten Brettern vernagelt. Die Ritzen um die Bretter waren mit Alufolie und vergilbten Zeitungspapierknäueln zugestopft.
    Nur noch wenige Minuten bis Mitternacht. Ich stand in der tiefen Dunkelheit und lauschte.
    Der Wind frischte auf. Eine Kaffeedose schepperte über den Bürgersteig. Auf der Eleventh Avenue rasten Autos und Lastwagen über regennassen Asphalt Richtung Downtown. Leise hallten Nebelhörner auf dem Wasser.
    Gegen die schleichende Kälte in den Zehen trat ich von einem Bein aufs andere. Und wartete auf das Geräusch, das zu hören ich gekommen war.
    Unter meinen Füßen befand sich ein langer Riß im Beton. Ich stellte ihn mir als Seil vor, das sich zwischen allem, was ich in meinem Leben schon gesehen hatte, und diesen nächsten paar Minuten in die ungewisse Zukunft hineinspannte.
    Etwas weiter fort, in den besseren Blocks der Fifty-second, wird sie zu Ehren der Jazzclubs, in denen meine Mutter früher als Kellnerin gearbeitet hatte, auf den Straßenschildern auch Swing Street genannt. Als meine Mutter eines Abends keinen Babysitter für mich finden konnte, begleitete ich sie zur Arbeit. Ihr Chef war ein anständiger Kerl und sagte, es sei schon okay, solange ich niemandem im Weg stehen würde. An diesem Abend sang Billie Holiday »God Bless the Child« und sagte den Zuschauern, dieses Lied sei allein für mich.
    So denke ich gern an New York...

    Aus dem Hausinneren tönte eine rauhe Stimme: »Erhebt euch aus eurer Verderbtheit! Tut Buße!«
    Und dann das Geräusch, das ich hören wollte, weswegen ich gekommen war...

1

    Da war ich also wieder.
    Da war ich, startete einen neuen Versuch mit einem alten Leben; frisch eingezogen in drei zugige Zimmer eines schäbigen, alten Hauses ohne Fahrstuhl in dem ausgelaugten Teil der Stadt, wo ich mit der Erfahrung aufgewachsen war, daß regelmäßige Mahlzeiten echte Errungenschaften und sich vollaufen zu lassen einen absoluten Sieg bedeuteten. Da war ich, der immer geglaubt hatte, daß nichts davon j e wieder Teil meines Lebens außerhalb des Dienstes sein würde.
    Vor meiner neuen und doch schon ramponierten Wohnungstür roch es im Treppenhaus ständig nach Fisch und ausgekochtem Fleisch und schmorenden Tomaten und gegrillten Hähnchen. Babys schreien in diesem Haus, und Paare streiten sich, und Frauen mit Haarnetzen, auf Kissen gelehnt, sehen aus den Fenstern, um Passanten unten auf der Straße zu beobachten.
    In Manhattan kann sich ein normaler Mensch vielleicht wirklich noch eine Wohnung wie meine leisten, sofern er zufälligerweise darüber stolpert oder, wie in meinem Fall, das Glück hat, jemanden zu kennen, der ihm hilft, darüber zu stolpern.
    Bevor ich dieses Glück hatte, wohnte ich in einem kleinen Zimmer mit großem Ungeziefer unten in der Lower East Side. Das war nur vorübergehend für zwei lange Jahre, in denen ich darauf wartete, daß Judy, meine Frau, über unsere weitere gemeinsame Zukunft zur Besinnung kam, was sie jedoch letztlich auf Rat und Empfehlung ihres Anwaltes nicht tat.
    Wir waren fast vierzehn Jahre verheiratet gewesen, Judy und ich. Unser gemeinsames Leben war gleichzeitig süß und bitter gewesen, wie das Leben der Stadt selbst. Wir besaßen ein hübsches Haus draußen in Ridgewood, Queens, mit einem Zaun davor und einem Blumengarten dahinter; wo wir
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