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Zehn zärtliche Kratzbürsten

Zehn zärtliche Kratzbürsten

Titel: Zehn zärtliche Kratzbürsten
Autoren: Arto Paasilinna
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zehnjä h riges, munteres kleines Mädchen, ein Halbblut, vielleicht eine Mula t tin oder Kreolin. Für einen kurzen Augenblick kamen Rauno Zwe i fel, ob er an der richtigen Tür geklingelt hatte. Als er nach Tarja Salokorpi fragte, erzählte die Kleine zutraulich, ihre Mama sei auf dem Friedhof von Malmi, beim Begräbnis ihrer Patentante.
    Das Mädchen: Mama hat nicht gewagt, mich mitzunehmen, weil ich so schwarz bin.
    Der Industrierat hinterließ einen Blumenstrauß mit der Bitte, ihn ins Wasser zu stellen, desgleichen eine Flasche Champagner, die die Kleine sofort in den Kühlschrank brachte.
    Rauno Rämekorpi fuhr mit dem Taxi zum Friedhof, wo zwei B e erdigungen im Gange waren. Der Industrierat und der Chauffeur bewaffneten sich jeder mit einem üppigen Strauß und schlossen sich der Trauergemeinde an, die ihnen gerade auf dem Kiesweg entg e genkam und in der Rauno die gesuchte Tarja Salokorpi entdeckt hatte. Hinter den Angehörigen schritt eine ganze Anzahl schwarz gekleideter Herren mit Blumengebinden in den Händen. An ihren Gesichtern war zu erkennen, dass ihnen die Verstorbene zu Lebze i ten sehr nahe gestanden hatte. Tarja Salokorpi drückte Raunos Hand, nachdem sie ihn erkannt hatte. Sie flüsterte:
    Tarja: All diese Männer sind ehemalige Freunde und Lebenspar t ner von Saara.
    Sorjonen: Das sind ja mindestens zehn Taxiladungen voll!
    Es war offensichtlich, dass die Herren einander nicht kannten, aber sie ließen sich dadurch ihre andächtige Stimmung nicht verde r ben. Mit steifen, schlurfenden Schritten folgten sie schmerzgebeugt dem Sarg, der auf einem Karren in die Kapelle geschoben wurde. Nach einer kurzen Gedenkrede segnete der Pastor den Leichnam aus. Dann machten alle eine Kehrtwendung, und der Sarg wurde zum Grab gekarrt.
    An Trägern mangelte es nicht. Nach kurzer, flüsternder Verstä n digung wählte die trauernde Herrenriege aus ihrer Mitte die sechs Wackersten, die den Sarg zur Gruft trugen. Ein Trauerchoral wurde gesungen. Langsam, quälend langsam senkte sich der Sarg mit der sterblichen Hülle der geliebten Toten in die Tiefe. Die Frauen schluchzten, und jeder der Herren trocknete sich die Tränen.
    Als es Zeit war, die Tragegurte unter dem Sarg herauszuziehen, gab es Unstimmigkeiten, welche der Herren das Aufrollen der Gurte übernehmen sollten. Die Träger in der Mitte wollten beide den Gurt an sich reißen, jeder nach seiner Seite, keiner gab nach, und daraus folgte, das der Greis auf der linken Seite ins Wanken geriet und mitsamt dem Gurt in die offene Gruft fiel. Es dröhnte gewaltig, als der Unglückliche auf dem Sargdeckel aufschlug. Aus den Tiefen der Gruft war qualvolles Stöhnen zu hören. Die anderen Träger beugten sich vor, um sich ein Bild von der Situation zu machen. Wie sich zeigte, hatte der Alte, der hinuntergefallen war, seinen Fuß verletzt und konnte nicht aufstehen. Der Küster, selbst schon betagt, wusste keinen Rat. Er war kein Totengräber und wagte es nicht, hinabz u steigen, um dem vor Schmerzen jammernden Mann herauszuhelfen.
    Nach kurzer Beratung entwickelten die Träger die Idee, dass zwei von ihnen hinuntersteigen sollten, um ihrem Schicksalsgefährten in der Not zu helfen. Ein weiterer Herr sagte, er sei in seiner Jugend Mitglied des Turnvereins gewesen und habe in dieser Eigenschaft seinerzeit auf vielen Sommerfesten bei Männerpyramiden mitg e wirkt. Er schlug vor, jetzt zu improvisieren und ein ähnliches Gebi l de zu formen, um so dem Verletzten wieder nach oben zu helfen. Drei Männer stiegen also in die Gruft, und schließlich auch noch die letzten beiden, als sich abzeichnete, dass zusätzliche Muskelkraft erforderlich war. Jetzt standen alle sechs Träger auf dem Sarg. Es wurde eng dort unten, trotzdem gelang es den Helfern, den Veru n glückten einigermaßen formvollendet auf ihre Schultern und dann nach oben zu hieven. Mit gegenseitiger Unterstützung gelangten auch vier weitere Männer aus der Grube, aber der letzte blieb allein unten zurück, weil kein Helfer mehr da war.
    Der Küster eilte fort, um eine Leiter zu holen, und mit ihrer Hilfe wurde auch der letzte Held aus der Gruft gerettet.
    Die Männer atmeten tief durch und wischten sich den Schweiß von der Stirn. Dann hoben sie den Sarg noch einmal heraus, denn es erschien ihnen unpassend, die geliebte Tote nach diesem Schauspiel dort einfach so ruhen zu lassen. Es wurde beschlossen, die Besta t tung noch einmal vorzunehmen, und wenn möglich ohne peinliche Missgeschicke. Die Männer
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