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0961 - Nähre deine Wut!

0961 - Nähre deine Wut!

Titel: 0961 - Nähre deine Wut!
Autoren: Oliver Fröhlich
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Der Regen prasselte herab und ließ Krychnaks dünnes, fettig wirkendes Haar an seinem Schädel kleben. Zwar hielten die Baumkronen des Wäldchens in der Nähe von Château Montagne die Nässe zumindest teilweise zurück, dennoch hing ihm die Kutte wie ein triefender Sack am Körper. Tropfen rannen ihm über die Stirn und die pulsierenden, zugewachsenen Augenhöhlen, hinein in die senkrechten Schlitze, die er anstelle einer Nase trug, und über die gespaltene Unterlippe.
    Und doch schien ihn das Unwetter nicht zu stören. Sein ganzes Interesse galt dem Schloss, in dem er die verhassten Menschen wusste. Aber leider nicht alle! Der, auf den es ihm ankam, war seit Wochen unterwegs.
    Der Dämon mit der Spaltlippe wandte den Kopf zur Seite und sah hinüber zu seinem Begleiter, einem alten Mann mit langen eisgrauen Haaren. Altersflecken übersäten sein faltiges, von der Zeit ausgetrocknetes Gesicht. Aktanur saß auf einem umgestürzten Baumstamm und starrte ins Leere. Seit seinen Erlebnissen in der Hölle hatte er lediglich ein einziges Wort gesprochen und war danach in apathisches Schweigen verfallen. Er schien nur noch aus einer unausgefüllten Hülle zu bestehen. Krychnak hoffte inständig, dass all die Bosheit, die er Aktanur anerzogen hatte, noch irgendwo dort drinnen lauerte.
    Erneut erzitterten die Lippenhälften vor Wut, als seine Gedanken in die Vergangenheit glitten.
    Er dachte an den Erbfolger , ein Wesen, das nach dem Tod im eigenen Sohn wiedergeboren wurde. In dessen Körper lebte er dann ein Jahr länger als in seiner vorherigen Verkörperung, bis er wiederum als sein Sohn zur Welt kam. Dieser Kreislauf wiederholte sich wieder und wieder. Mit jedem Leben nahmen die Kraft und die Bosheit des Erbfolgers zu. Einst hatte Lucifuge Rofocale, der frühere Ministerpräsident der Hölle, ihn als Werkzeug des Bösen erschaffen, das in seiner zweihundertfünfzigsten Inkarnation schließlich zu einem mächtigen Dämon namens Xuuhl werden sollte. So wäre es auch gekommen, doch dann hatte Merlin ihn vor Jahrtausenden auf die Seite des Guten gezogen und Lucifuge Rofocales Plan dadurch zunichtegemacht.
    Danach war der Erbfolger nicht nur kein Diener der Schwefelklüfte mehr, sondern erschuf stattdessen sogar in jedem neuen Leben einen potenziell unsterblichen Kämpfer gegen das Böse. Kein Wunder, dass dem Ministerpräsidenten seine eigene Schöpfung nun ein Dorn im Auge war. So hielt er seine Beteiligung an der Erschaffung dieses Wesens tunlichst geheim. Warum er das auch bereits vor dem Seitenwechsel des Erbfolgers getan hatte, war Krychnak noch immer ein Rätsel. Schließlich sollte Xuuhl ein Leib zu Diensten des Lichtbringers werden. Lucifuges Motive waren also durchaus ehrenhaft gewesen. Dennoch weihte er niemanden ein.
    Nur Krychnak erfuhr durch Zufall davon, als er unbeabsichtigt Ohrenzeuge eines Gesprächs wurde, in dem der Ministerpräsident während eines Wutanfalls einem kleinen Dämon seine unrühmliche Rolle gestand. Gleich darauf vernichtete Rofocale den Mitwisser, doch Krychnaks Anwesenheit bemerkte er nicht.
    Seit diesem Tag bestand der Ehrgeiz des Spaltlippigen darin, den Erbfolger zurück auf die Seite des Bösen zu holen. Er entwickelte einen Erfolg versprechenden Plan, der sich bereits mehrfach kurz vor dem Abschluss befunden hatte, jedoch jedes Mal an winzigen Details gescheitert war. Sein Vorhaben war schlicht und dennoch genial. Er hatte mittels seiner speziellen Magie einen Zwilling des damaligen Erbfolgers erschaffen und ihn mit unsagbarer Bosheit erfüllt: Aktanur!
    Jetzt brauchte er die beiden nur noch miteinander verschmelzen und das Böse würde das Gute verunreinigen, so wie ein Tropfen Öl ein Glas Wasser verunreinigte.
    Ein grandioser Plan, der ihm in den Schwefelklüften zu Ruhm, Ansehen und Macht verhelfen sollte. Auch wenn Lucifuge Rofocale längst nicht mehr existierte, war Krychnak der festen Überzeugung, dass ihm eine derartige Tat einen großen Sprung auf der höllischen Karriereleiter bescherte. Umso mehr, als sich eines Tages sogar Asmodis auf seine Seite stellte, um ihm bei der Verwirklichung seines Vorhabens zu helfen. Der ehemalige Fürst der Finsternis, bei dessen Abkehr von der Hölle es sich anscheinend nur um eine Finte handelte, unterstützte ihn! Er rettete ihn aus einer ausweglosen Lage im Schlosshof dieses verfluchten Dämonenjägers und sorgte dafür, dass das Team um Zamorra ihn seitdem für tot hielt. Was für eine grandiose Ausgangsposition, wenn einem dann sogar
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