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Zehn Jahre nach dem Blitz

Zehn Jahre nach dem Blitz

Titel: Zehn Jahre nach dem Blitz
Autoren: Pjhilip K. Dick
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gelungenen Schlages, einen kleinen Stern auf die Tür des Saales malen zu lassen. Ihrer Liste eine weitere US-Stadt hinzufügen.
    Und durch das Entsetzen hindurch, ein weiteres Haupt der westlichen Zivilisation – an die er aufrichtig glaubte und die er liebte – fallen zu sehen, schlich sich erneut der kleinliche, egoistische, persönliche Gedanke in sein Bewußtsein: Es hat ein höheres Soll zur Folge. Unter der Erde mußte mehr produziert werden, da auf ihr mit jedem Tag weniger blieb.
    Nunes murmelte: »Yancy wird jetzt eine Erklärung abgeben. Wie das geschehen konnte. Hören Sie zu.« Und Nunes hatte natürlich recht, denn der Beschützer gab sich niemals geschlagen; er besaß die großartige Hartnäckigkeit der Schildkröten, die Nicholas an diesem Mann bewunderte, und er weigerte sich einzusehen, daß der jüngste Schlag tödlich war. Und dennoch ...
    Sie haben uns in Sicherheit gebracht, stellte Nicholas fest ... und selbst du, Talbot Yancy, unser geist-pol-mil Führer, tapfer genug, in deiner Festung in den Rockies auf der Oberfläche auszuharren: selbst du, guter Freund, kannst nicht ungeschehen machen, was sich gerade ereignet hat.
    »Liebe amerikanische Mitbürger«, ertönte Yancys Stimme, und sie klang nicht einmal müde. Von seiner Lebenskraft überrascht, blinzelte Nicholas. Yancy schien beinahe unberührt, schien seinem westlichen Kulturerbe, der Stoa, treu geblieben zu sein; er sah alles, nahm es hin und verstand es, doch keine Gemütsbewegung konnte seinen kühlen Verstand aus der Ruhe bringen.
    »Ihr seid Zeugen eines entsetzlichen Geschehens geworden«, fuhr Yancy mit der leisen Stimme eines Mannes in mittleren Jahren fort, der Stimme eines erfahrenen alten Kriegers von aufrechter Gestalt und klarem Verstand, der noch für so manches Jahr gut ist – nicht wie die Hülle, das sterbende Etwas im Klinikbett, an dem Carol Wache hielt. »Von Detroit ist nichts übrig, und wie ihr wißt, ist all die Jahre von den dortigen Autofabrikationsanlagen ein beträchtliches Maß an Kriegsmaterial ausgestoßen worden, und nun haben wir sie verloren. Aber wir mußten keine Menschenleben opfern, und das ist das eine Gut, auf das wir niemals verzichten können und wollen.«
    »Treffendes Argument«, murmelte Nunes, indem er sich eine Notiz machte.
    Ganz plötzlich tauchte Carol in ihrem weißen Kittel und den flachen Schuhen neben Nicholas auf; unwillkürlich erhob er sich und sah sie fragend an.
    »Er ist gestorben«, sagte Carol. »Souza. Gerade eben. Ich habe ihn sofort eingefroren; ich stand am Bett bereit, es ist also keine Zeit verlorengegangen. Die Gehirnzellen haben wohl nicht gelitten. Er ist einfach verschieden.« Sie versuchte, zu lächeln, doch dann traten ihr Tränen in die Augen. Es erschreckte ihn, er hatte Carol nie zuvor weinen gesehen, und etwas in ihm verspürte Entsetzen, als wenn, was er da sah, etwas Schlimmes wäre.
    »Wir werden diesen Schlag aushalten«, die Audiospur der Nachrichtenübermittlung aus der Estes-Park-Festung wanderte weiter, und auf dem Bildschirm erschien jetzt Yancys Gesicht, und der Krieg, die wogenden Wolken schwebender oder in heißes Gas aufgelöster Materie, verschwanden. Es war ein straffer, entschlossener Mann hinter einem großen Eichentisch an irgendeinem verborgenen Ort, wo sowjetische Geschosse, selbst die furchtbaren, tödlichen neuen Sinozwanzig-Rotpunktraketen, ihn bisher nicht aufgespürt hatten.
    Nicholas wies Carol einen Platz zu und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf den Bildschirm.
    »Mit jedem Tag, der vergeht«, sagte Yancy, und aus seiner Stimme klang Stolz, ein schöner, begründeter Stolz, »werden wir stärker. Nicht schwächer. Ihr werdet stärker.« Und wahrhaftig, in diesem Augenblick sah er Nicholas und Carol, Dale Nunes, Stu, Rita und allen anderen direkt in die Augen, nur Souza nicht, der tot war. Und wenn du tot bist, erkannte Nicholas, kann niemand, nicht einmal der Beschützer, behaupten, du würdest stärker werden. Und wenn du gerade gestorben bist, dann sind auch wir gestorben. Wenn nicht diese Bauchspeicheldrüse, koste es, was wolle, aus welcher abscheulichen Quelle des Schwarzmarktes, der die Militärkrankenhäuser bestiehlt, auch immer beschafft werden kann.
    Früher oder später, erkannte Nicholas, werde ich, ungeachtet des Gesetzes, das es verbietet, zur Oberfläche hinaufgelangen müssen.
     
    3
     
    Als das Ich-bin-größer-als-du-Bild von Talbot Yancys Leder- und Stahlgesicht vom Bildschirm verschwunden war, und das glanzlose
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