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Zehn Jahre nach dem Blitz

Zehn Jahre nach dem Blitz

Titel: Zehn Jahre nach dem Blitz
Autoren: Pjhilip K. Dick
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nicht dort; jetzt, da dieser Augenblick endlich gekommen ist, bin ich fort in meinem Versteck, ich bin davongelaufen.« Seine Qual, das Gefühl des Verlustes, das Wissen, daß er von ihnen und von der Sache abgeschnitten war, wuchs merklich an, nahm ihm den Atem, als wäre ihm ein Schlag in die Magengrube versetzt worden, als hätte man ihn körperlich zurückgestoßen, so daß er nun fiel und nichts mehr blieb, woran er sich festhalten konnte; Adams’ Hände fuhren sinnlos, ziellos in die Luft. Er versuchte es immer noch.
    »Es ist vorbei«, sagte Nicholas, und er machte nicht den Versuch, seine Stimme freundlich klingen zu lassen. »Für Sie und für alle anderen dort oben – vorbei.« Denn, sagte er sich, ich werde ihnen die Wahrheit sagen.
    Sie sahen sich schweigend an. Adams blinzelte aus dem Abgrund herauf, in den er immer tiefer stürzte. Ihre Blicke waren bar jeder Freundlichkeit und Wärme. Eine unüberbrückbare Kluft trennte sie voneinander.
    Und Sekunde um Sekunde wurde die Leere, der Raum zwischen ihnen größer. Bis endlich Nicholas das spürte, was Joseph Adams immer als den – Nebel bezeichnet hatte. Den inneren, lautlosen Nebel.
    »Na gut«, keuchte Adams. »Sie plaudern die Wahrheit aus, Sie richten einen kleinen Zehn-Watt-Kurzwellensender ein und rufen den nächsten Tank an, reichen Ihre Neuigkeit herum – aber ich kehre in meine Domäne zurück, verkrieche mich in meiner Bibliothek, wo jetzt mein Platz ist und schreibe eine Rede. Zweifellos die uneingeschränkt beste Rede, die ich in all den Jahren verfaßt habe. Der Höhepunkt. Denn genau das brauchen wir. Ich werde besser sein als selbst Lantano, wenn es sein muß, kann ich sogar ihn überflügeln – in meinem Beruf kann mich kein Mensch überholen; das weiß ich genau. Wir werden also sehen, Nick; warten wir es ab, wer wem glaubt, wenn alles vorüber ist; Sie haben Ihre Chance, und ich werde mir die meine nicht entgehen lassen – ich werde nicht zulassen, daß ich vergessen werde. Beiseite geschoben.« Er starrte Nicholas feindselig an.
    Rita kam, atemlos und aufgeregt, auf ihren Mann zugeeilt.
    »Nicholas, ich habe gerade gehört – der Krieg ist aus, und wir werden auf die Erdoberfläche zurückkehren können. Wir können endlich anfangen, zu ...«
    »Aber nicht sofort«, sagte Nicholas. »Es ist noch nicht alles bereit; die Bedingungen auf der Erdoberfläche sind noch nicht ganz dementsprechend.« Er erwiderte Adams’ starren, gequälten Blick. »Nicht wahr?«
    »Nein, noch nicht«, sagte er langsam und mechanisch, als wäre er bereits fort und nur wenig, sehr wenig von ihm noch übrig, um diese Antwort zu geben. »Aber die Bedingungen werden, wie Sie schon sagten, bald angemessen sein.«
    »Aber es ist wahr«, rief Rita atemlos. »Wir haben gewonnen; Volks-Pakt hat sich unseren Streitkräften ergeben. Yancy hat es gesagt, es wurde in alle Wohneinheiten übertragen, ich habe es unten gehört.« Sie zögerte, als sie den Ausdruck auf dem Gesicht ihres Mannes bemerkte. »Es ist nicht nur ein Gerücht. Yancy persönlich, der Beschützer, hat es gesagt.«
    An Adams gewandt, sagte Nicholas: »Wie wäre es damit: Sie könnten ihnen – uns – sagen, es sei eine Geburtstagsüberraschung.«
    »Nein«, entgegnete Adams heftig. Die Gedanken jagten sich in seinem Kopf und er wägte Nicholas’ Worte sorgsam ab.
    »Das ist nicht genug. Es reicht nicht aus.«
    »Der Radioaktivitätsspiegel«, schlug Nicholas vor. Er fühlte sich erschöpft. Aber nicht allzu erschöpft, wenn man alles betrachtete, nicht zu pessimistisch und keineswegs hoffnungslos. Trotz der Aufgabe, die er, ebenso wie Adams, erkannte: die Aufgabe, die Schritt für Schritt und unbemerkt näher gerückt war in all diesen unerfüllten Jahren des Wartens. »Die Radioaktivität«, sagte Nicholas.
    Bei diesen Worten zuckten Adams’ Augen heftig.
    »Die Radioaktivität«, erklärte Nicholas, »ist nach all den Jahren endlich auf ein erträgliches Maß abgesunken. Wie ist es damit? Und all die Jahre hindurch waren Sie gezwungen, zu behaupten – Ihnen blieb keine andere Wahl, es war moralisch und praktisch notwendig, es zu behaupten –, daß der Krieg andauerte. Andernfalls wären die Menschen, und Sie wissen ja, wie die Menschen sind, auf der Erdoberfläche zurückgestürmt.«
    »Unvernünftigerweise«, stimmte Adams zu und nickte nachdenklich.
    »Viel zu früh«, fuhr Nicholas fort. »So, wie sie in ihrer Dummheit zu handeln pflegen; und die Strahlung hätte sie umgebracht. Wenn man
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