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Zehn Jahre nach dem Blitz

Zehn Jahre nach dem Blitz

Titel: Zehn Jahre nach dem Blitz
Autoren: Pjhilip K. Dick
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verloren, konnte es nicht nachprüfen und ihm auf die Schliche kommen. Also log er. »Fünfzehn.«
    »Dann ...« Gequältes Schweigen, Souza starrte unabläßlich nach oben, er wandte Nicholas nicht den Blick zu, es war, als würde er den Blick beschämt abwenden. »... können wir unser Soll noch erfüllen.«
    »Was schert es mich«, entgegnete Nicholas, »ob wir unser Soll erfüllen?« Er kannte Souza seit fünfzehn Jahren, war mit ihm hier im Tom Mix eingeschlossen, seitdem der Krieg begonnen hatte. »Mich interessiert, ob ...« O Gott, ein Versprecher, und es war unmöglich, das Wort ungesagt zu machen.
    »Ob ich hier wieder herauskomme«, flüstert Souza.
    »Ich meine natürlich, wann. « Er war wütend auf sich. Und dann sah er Carol an der Tür mit ihrem berufsmäßigen Äußeren, in dem weißen Kittel und den flachen Schuhen, und sie trug ihre Klemmtafel bei sich, auf der ohne Zweifel Souzas Krankenblatt lag. Wortlos erhob sich Nicholas, entfernte sich vom Bett und ging an Carol vorbei in den Flur hinaus.
    Sie folgte ihm. In dem menschenleeren Flur standen sie dicht beieinander, und Carol sagte: »Er hat noch eine Woche zu leben, dann stirbt er. Ob sie sich nun versprechen und ›ob‹ sagen oder ...«
    »Ich habe ihm gesagt, unsere Werkstatt hätte bisher fünfzehn Bleierne fertiggestellt; sorgen Sie dafür, daß ihm niemand etwas anderes sagt.«
    »Ich habe gehört«, sagte sie, »es sind eher fünf.«
    »Sieben.« Er sagte ihr das nicht, weil sie die Ärztin war und sie alle von ihr abhingen, sondern aufgrund ihrer Beziehung zueinander. Er erzählte Carol alles; sie durchschaute, und das gab es so selten, jede Unwahrheit, selbst die alltäglichen, kleinen Schwindeleien: das war einer der Haken, an denen er festhing, der ihn gefühlsmäßig mit ihr verband. Warum es also jetzt versuchen? Carol war niemals auf schöne Worte aus, sie lebte von der Wahrheit. Und hier hatte sie sie wieder einmal bekommen.
    »Dann können wir das Soll nicht erfüllen«, sagte sie. Ganz sachlich.
    Er nickte. »Zum Teil liegt es daran, daß sie drei vom Typ VII verlangt haben, und das ist schwer; das belastet unsere Werkstätten. Wenn es sich nur um Exemplare vom Typ III und IV gehandelt hätte ...« Aber das hatte es nicht; das tat es nie, und es würde auch nie eintreten. Niemals.
    Solange die Oberfläche noch bestand.
    »Sie wissen«, ergriff Carol kurze Zeit später das Wort, »daß auf der Oberfläche künstliche Bauchspeicheldrüsen zur Verfügung stehen. Sie haben diese Möglichkeit in ihrer Eigenschaft als unser gewählter Vertreter natürlich in Erwägung gezogen.«
    Nicholas entgegnete: »Es ist ungesetzlich. Nur für Militärkrankenhäuser. Absoluter Vorrang. Rangordnung 2-A. Wir sind nicht bezugsberechtigt.«
    »Man sagt, es gibt ...«
    »Und man wird erwischt.« Wenn man sich beim Handel auf dem Schwarzmarkt erwischen ließ, würde das ohne Zweifel eine rasche, standrechtliche Verhandlung vor dem Militärgericht und schließlich die Hinrichtung zur Folge haben. Wenn man dort oben überhaupt erwischt wurde.
    »Haben Sie Angst, hinaufzugehen?« fragte Carol in ihrer schroffen, stahlharten Offenheit.
    »O ja.« Er nickte; genauso war es. Zwei Wochen: Tod durch die Zerstörung der Fähigkeit, rote Blutkörperchen im Knochenmark zu produzieren. Eine Woche: Beutelpest, Schrumpfseuche oder Wundklauenfieber, und er litt bereits unter einer Bakteriophobie; vor einigen Monaten hatte er schon einmal unter dieser Angst gezittert wie jeder andere Tankarbeiter auch – obwohl im Tom Mix noch kein einziger Fall einer dieser Seuchen bekannt geworden war.
    »Sie können«, schlug Carol vor, »diejenigen, denen Sie ... nun, denen Sie wirklich vertrauen können, zusammenrufen. Und einen Freiwilligen suchen.«
    »Verflucht, wenn einer geht, bin ich das.« Doch in Wahrheit wollte er keinen hinaufschicken, weil er wußte, was dort oben wartete. Keiner würde zurückkehren, weil ihn homeotropische Waffen, wenn schon nicht das Militärgericht, aus seinem Versteck aufscheuchen und ihn verfolgen würde, bis er tot war. Und das alles würde nur eine Sache von Minuten sein.
    Und homeotropische Waffen waren furchtbar, sie wirkten auf abscheuliche Weise.
    Carol sagte: »Ich weiß, wie gerne Sie den alten Souza retten würden.«
    »Ich liebe ihn«, erwiderte er. »Er bedeutet mir mehr als die Werkstätten, die Sollerfüllung und all das Zeug. Hat er jemals in all den Jahren, die wir nun schon hier unten eingeschlossen sind, jemanden etwas
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