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Das Königsmal

Das Königsmal

Titel: Das Königsmal
Autoren: Katrin Burseg
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PROLOG
Kopenhagen, Ende April anno 1648
    Der Himmel über der Stadt war schwarz. Polarwind blies vom Meer und ließ für einen kurzen Moment den eisigen Winter wiederaufleben, der die Menschen in den vergangenen Monaten so gequält hatte.
    Johanna von Krabbe wickelte sich fröstelnd in ihren Umhang. Sie duckte sich in den Schatten eines Baums, den das blasse Mondlicht warf, und wartete. Niemand durfte sie sehen, so wie niemand sehen durfte, was hier geschah. Als sie den Wagen über den Wall kommen hörte, blickte sie vorsichtig aus ihrem Versteck.
    Wie eine Verbrecherin wurde die Tote im Schutz der Nacht aus der Stadt geschafft. Man hatte ihren Körper in einen schmucklosen Sarg aus Eichenholz gelegt. Kein höfisches Wappen verriet, dass hier die geliebte Gefährtin des alten Königs Christian zu Grabe getragen wurde.
    Wut und Trauer überwältigten sie, wie eine dunkle Welle schlug das Gefühl über ihr zusammen. Johanna wimmerte leise und wischte sich die Tränen aus den Augen. Wenn Seine Majestät das sehen könnte, dachte sie. Verfluchen würde er die habgierige Meute, die sofort nach seinem Tod begonnen hatte, alle Spuren ihrer Existenz auszulöschen. Die Spuren einer großen Liebe.
    Vor dem Nordertor brachte der Kutscher die Pferde zum Stehen. Zwei Männer sprangen vom Wagen und ließen wenig später den Sarg in ein tiefes Loch sinken. Niemand sprach ein Gebet. Hastig schaufelten die Totengräber Erde über das Holz. Johanna hörte sie leise fluchen. Dann jagten sie die Pferde über den Wall zurück in die Stadt.
    Johanna wartete. Als sie sicher war, dass der Wagen das graue Pflaster der Stadt erreicht hatte, wagte sie sich aus ihrem Versteck. Sie trat an das Grab und legte die Hände auf die kalte Erde. Fast glaubte sie, einen Hauch von Apfelblüten zu riechen.
    „Ich werde dich nicht vergessen, Wiebke“, flüsterte sie in die Nacht.
    Sie schloss die Augen und suchte das Bild der Toten, die Bilder ihres stürmischen Lebens: von den Launen des Schicksals emporgehoben und schließlich durch die Missgunst der Mächtigen verstoßen. Die Erinnerungen ließen die Tränen wieder in ihren Augen brennen.
    Meine Liebe, dachte sie, Wiebke Kruse. Sie war nicht alt geworden. Langes, noch immer mädchenhaft blondes Haar hatte ihr vollkommenes Gesicht auf dem Totenbett umrahmt – oval und mit hohen Wangenknochen. Die eigensinnig aufgeworfenen Lippen schienen wie im Schlaf zu lächeln. Nur den temperamentvollen Blick ihrer Augen hatte der Tod an sich gerissen. Am Morgen hatte Johanna die Lider der Verstorbenen sanft geschlossen. Ein letzter Dienst, zärtlich und liebevoll. Am Tag der Auferstehung sollte sie dem Herrn in Demut und Schönheit gegenübertreten.
    Leise fuhr sie fort, mit der geliebten Toten zu reden. Sie gab ihr ein Versprechen, das der Wind als ein Flüstern in alle Winkel des Königreichs trug.
    „Und auch die Menschen dürfen dich nicht vergessen. Ich werde deine Geschichte erzählen. Du sollst nicht wie eine Bettlerin auf diesem Acker liegen.“ Dann schlug sie ein Kreuz und sprach das Vaterunser.
    Wenig später machte sich auch Johanna von Krabbe zurück auf den Weg in die Stadt. Die Hofdame musste sich beeilen, niemand im Palast sollte merken, dass sie sich davongeschlichen hatte. Gräfin Munk behandelte sie streng. Und wenn sie in der Frühe nicht ihren Dienst antreten sollte, würde sie gleich ihre Habseligkeiten packen und gehen können. Doch noch wollte sie ausharren.
    Sie hoffte auf Kronprinz Friedrich, auf seine Krönung zum König aller Dänen und Norweger. Würde er vielleicht einschreiten? Und vielleicht bestattete man Wiebke Kruse dann an der Seite ihres Mannes – neben dem Sarg König Christians IV., den das Volk erst im Februar im prächtigen Dom zu Roskilde zu Grabe getragen hatte.
    Sie wollte dafür kämpfen, doch sie musste vorsichtig sein. Die Hofdame ahnte, dass sie in Gefahr war. Sie war eine der wenigen, die von der Intrige wussten, welche die Gräfin und ihre Gefolgschaft gegen die illegitime Nachfolgerin gesponnen hatte.
    Mehr als zwanzig Jahre hatte die Witwe des Königs in der Verbannung auf Rache gesonnen. Rache an der Frau, der sie die Schuld für ihr Unglück gab. Und das, was Reichshofmeister Corfitz Ulfeldt nachts mit seiner Schwiegermutter getuschelt hatte, war ganz sicher nicht für ihre Ohren bestimmt gewesen.
    Die ersten Sonnenstrahlen färbten den Himmel rot, als Johanna Schloss Rosenborg erreicht hatte. Der Hofstaat und die Stadt erwachten schon. Ein Trupp Reiter
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