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Zehn Jahre nach dem Blitz

Zehn Jahre nach dem Blitz

Titel: Zehn Jahre nach dem Blitz
Autoren: Pjhilip K. Dick
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Gesichtszüge sich auf den Umfang einer Murmel verringert. »Ist gut«, antwortete er zum Bad hin und schickte sich an, seine Arbeitsstiefel aufzuschnallen. Er hatte das Bedürfnis, sauber zu sein; er würde ebenfalls eine Dusche nehmen, ungeachtet der strengen Wasserrationierung, die gegenwärtig auf seine eigene Anordnung hin in Tom Mix verhängt war. Wenn man sich nicht sauber fühlt, stellte er fest, ist man verdammt. Wenn man bedachte, was uns hier verunreinigen konnte, die zu uns herunterstürzenden, mikroskopisch kleinen Teilchen, die einer dieser mobilen Metallproleten aus handgefertigten Teilen nachlässig zu vernichten versäumt hatte, bevor er den Fallhebel betätigt und dreihundert Pfund verseuchter Materie zu uns heruntergejagt hatte, die gleichermaßen heiß wie schmutzig war ... heiß vor Radioaktivität und schmutzig von Krankheitserregern. Wunderbare Kombination, dachte er.
    Und im hinteren Winkel seines Bewußtseins rief er sich in Erinnerung zurück: Souza liegt im Sterben. Was zählt daneben schon? Denn – wie lange können wir ohne diesen einen griesgrämigen Alten bestehen?
    Ungefähr zwei Wochen. Denn in zwei Wochen war die Überprüfung ihres Solls fällig. Und wie er sein Glück und das seines Tanks einschätzte, würde es diesmal einer von Innenminister Stanton Broses Agenten sein und nicht von General Holts. Sie wechselten sich ab. Das beugte, wie Yancys Bild auf dem großen Schirm einmal gesagt hatte, der Korruption vor.
    Er nahm das Audiophon auf und wählte die Klinik des Tanks an.
    »Wie geht es ihm?«
    Am anderen Ende ertönte die Stimme Dr. Carol Tighs, die ihre kleine Krankenstation leitete. »Unverändert. Er ist bei Bewußtsein. Kommen sie herunter; er sagt, er möchte mit Ihnen sprechen.«
    »In Ordnung.« Nicholas hängte ein, dann rief er Rita – das Rauschen des Wassers übertönend – zu, daß er ging und verließ die Wohnzelle; draußen im Gemeinschaftsflur drängte er sich durch einen Strom von Tankarbeitern, die aus den Werkstätten und Erholungsräumen in ihre Kammern zurückkehrten, um zu Bett zu gehen; die Uhren hatten die richtige Zeit angezeigt, denn er sah zahlreiche Bademäntel und die einheitlichen Pantoffeln aus synthetischem Flauschfell. Es ist wirklich Bettzeit, stellte er fest. Aber er wußte, daß er dennoch nicht schlafen konnte.
    In der Krankenstation, drei Stockwerke tiefer, durchquerte er menschenleere Warteräume – die Klinik war, außer für die bettlägerigen Patienten, geschlossen – und betrat das Schwesternzimmer; die Krankenschwester erhob sich höflich, denn schließlich war Nicholas ihr gewählter Präsident. Dann stand er vor der geschlossenen Tür zu Maury Souzas Krankenzimmer, auf der ein Schild besagte: Ruhe – Nicht stören! Er trat ein.
    In dem breiten, weißen Bett lag etwas Flaches, etwas, das so sehr zusammengepreßt war, daß es nur in die Höhe starren konnte, wie ein schwaches Spiegelbild in einem Teich, der das Licht eher absorbierte als widerspiegelte. Der Teich, in dem der alte Mann lag, war ein Verzehrer jeglicher Energie, wie Nicholas feststellte, während er sich dem Bett näherte. Was dort liegt, ist nur eine Hülle; sie ist ausgesaugt wie von einer Spinne, einer Weltspinne, oder, zutreffender für uns, einer Unterweltspinne. Aber dennoch ein Wesen, das sich vom menschlichen Leben nährt. Selbst so tief unten.
    In seiner hingestreckten Reglosigkeit bewegte der alte Mann die Lippen. »Hallo.«
    »Na, du alter Dickschädel«, sagte Nicholas und zog einen Stuhl ans Bett. »Wie fühlst du dich?«
    Nach einiger Zeit, als hätten Nicholas’ Worte so lange gebraucht, um ihn zu erreichen – die lange Reise durch den Raum –, erwiderte der alte Mechaniker: »Nicht besonders, Nick.«
    Du weißt nicht, dachte Nicholas, was dir fehlt. Es sei denn, Carol hat es dir gesagt, seit ich das letzte Mal mit ihr über dich gesprochen habe. Er sah den alten Mechaniker prüfend an und fragte sich, ob er etwas ahnte. Pankreatitis verlief in fast hundert Prozent aller Fälle tödlich, das wußte er; Carol hatte es ihm erklärt. Aber selbstverständlich hatte niemand es Souza gesagt oder würde es ihm sagen, denn es konnte noch immer ein Wunder geschehen.
    »Es wird schon wieder werden«, sagte Nicholas unbeholfen.
    »Hör zu, Nick. Wie viele Bleierne haben wir in diesem Monat produziert?«
    Er überlegte, ob er lügen oder die Wahrheit sagen sollte. Souza lag schon seit acht Tagen hier in seinem Bett; er hatte ganz sicher die Verbindung
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