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Zehn Jahre nach dem Blitz

Zehn Jahre nach dem Blitz

Titel: Zehn Jahre nach dem Blitz
Autoren: Pjhilip K. Dick
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Schlafzimmer, und laßt auch diejenigen nicht aus, die nicht laufend in Gebrauch sind. Ich erinnere mich deutlich, ein Blatt oder ein Paket Papier gesehen zu haben, bei welcher Gelegenheit auch immer. Es ist ausgegraben worden.«
    Der Bleiernde gab seinen Befehl durch direkten Funkkontakt weiter, und er spürte, wie das Gebäude erbebte, als sich sein Personal von dem jeweiligen Standort, an dem ein jeder nach seiner letzten Aufgabe zum Stehen gekommen war, durch die mehr als fünfzig Räume der Villa in Bewegung setzte. Er, der Dominus, spürte das aufkeimende Leben dieses seines Hauses unter den Fußsohlen, und der Nebel in seinem Innern lichtete sich ein wenig, wenn es sich auch nur um Roboter handelte, wie die Tschechen sie mit ihrem verrückten Wort für Arbeiter bezeichnet hatten.
    Aber draußen scharrte der Nebel am Fenster.
    Und er wußte, wenn Colleen gegangen war, würde er drängen und kratzen und beharrlicher versuchen, einzudringen.
    Er wünschte, es wäre Montag und er säße, von anderen Yance-Leuten umgeben, in seinem Büro in der New Yorker Agentur. Und das Leben würde nicht aus der Bewegung toter – oder, um gerecht zu sein, lebloser – Dinge bestehen. Sondern aus der Wirklichkeit selbst.
    »Ich will es dir sagen«, ergriff er plötzlich das Wort. »Ich liebe meine Arbeit. In Wahrheit brauche ich sie; es gibt nichts anderes. Dies hier nicht ...« Er deutete mit einer umfassenden Geste auf das Zimmer, in dem sie standen, dann zu dem undurchdringlichen, nebelverhangenen Fenster.
    »Wie eine Droge«, pflichtete Colleen ihm verstehend bei.
    »Ja.« Er nickte. »Um den altertümlichen Ausdruck zu gebrauchen, ›ich werde es von dir erringen‹.«
    »Ein wenig Sprachkunde«, sagte sie weich. »Es heißt kaufen. Vielleicht solltest du doch deinen Apparat zu Hilfe nehmen.«
    »Nein«, entgegnete er schnell. »Du hattest recht; ich nehme die Mühe auf mich und versuche es direkt, ganz ohne fremde Hilfe.« Jeden Augenblick mußte seine Dienerschaft von Bleiernen mit unbeschriebenem weißem Papier hereingeklirrt kommen; er war sicher, daß er irgendwo welches besaß. Und wenn nicht, konnte er es gegen irgendeinen Gegenstand bei einem Nachbarn eintauschen, konnte, von seiner Begleitmannschaft von Bleiernen umgeben und beschützt, versteht sich, eine Fahrt zum Nachbarhaus und -grundstück im Süden, das Ferris Granville gehörte, unternehmen. Ferris mußte Papier haben, er war, wie er ihnen vergangene Woche über den offenen Videokanal mitgeteilt hatte, im Begriff, seine – Gott bewahre – Memoiren zu verfassen.
    Was auch immer in, auf oder über aller Welt Memoiren sein mochten.
     
    2
     
    Bettzeit. Das verkündete jedenfalls die Uhr, doch – angenommen, der Strom war wieder einmal ausgefallen, wie es in der Woche zuvor einen ganzen Tag lang geschehen war, konnte die Uhr um Stunden falsch gehen. Es war durchaus möglich, ging es Nicholas St. James schaudernd durch den Kopf, daß es in Wirklichkeit Zeit war, aufzustehen. Und selbst nach all den Jahren, die er unter der Erde verbracht hatte, verriet ihm der Metabolismus seines Körpers nichts darüber.
    In dem gemeinsamen Badezimmer ihrer Behausung 67-B des Tom Mix rauschte das Wasser; seine Frau nahm eine Dusche. Nicholas suchte auf ihrem Frisiertisch, bis er ihre Armbanduhr fand und warf einen prüfenden Blick darauf: die beiden Uhren stimmten überein, das hatte also seine Richtigkeit. Und dennoch war er hellwach. Die Sache mit Maury Souza, gestand er sich ein, fraß gierig an ihm, verwandelte seinen Kopf in einen Futtertrog. Genauso, dachte er, muß man sich fühlen, wenn man sich mit der Beutelpest infiziert hatte, deren Viren eindrangen und bewirkten, daß der Kopf sich ausdehnte, bis er wie eine aufgeblasene Papiertüte zerplatzte. Vielleicht bin ich krank, dachte er. Wirklich krank. Kränker noch als Souza. Und Maury Souza, der Chefmechaniker ihres Ameisentanks, mittlerweile in den Siebzigern, lag im Sterben.
    »Ich bin fertig«, rief Rita ihm aus dem Badezimmer zu. Die Dusche plätscherte jedoch noch, sie war nicht fertig. »Ich meine, du kannst hereinkommen und dir die Zähne putzen oder sie in ein Glas legen, oder was immer du vorhast.«
    Ich bin im Begriff, die Beutelpest zu bekommen, dachte er ... wahrscheinlich war der letzte schadhafte Bleierne, den sie heruntergeschickt hatten, nicht sorgfältig entseucht worden. Oder ich habe mir die Schrumpfseuche eingefangen, und bei dieser Vorstellung, dachte er, daß der Kopf einschließlich der
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