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Zaubersommer in Friday Harbor

Zaubersommer in Friday Harbor

Titel: Zaubersommer in Friday Harbor
Autoren: Lisa Kleypas
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sich mit der Schulter gegen die Tür,
als er feststellte, dass sie klemmte. Als er die Eingangshalle betrat, war er
plötzlich auf der Hut, als befürchtete er, irgendetwas könnte ihn aus dem
Dunkel heraus anspringen. Mit jedem Schritt wirbelte er den Staub auf, der den
Boden bedeckte, sodass er sich Aschewolken gleich in die Luft erhob und ihn zum
Niesen brachte.
    Ein durch
und durch menschliches Geräusch. Der Geist hatte ganz
vergessen, was Niesen war.
    Sam ließ
den Blick über die verfallenen Wände schweifen. Selbst hier im Schatten wirkten
seine Augen blau, und die Lachfältchen in den Augenwinkeln waren gut zu sehen.
Attraktiv war er nicht unbedingt, sah aber trotzdem gut aus mit seinen kantigen
rauen Gesichtszügen. Offenbar hielt er sich viel an frischer Luft auf, denn
seine Haut war intensiv gebräunt. Der Anblick allein weckte in dem Geist beinah
die Erinnerung daran, wie sich Sonnenlicht und -wärme auf der Haut anfühlten.
    Inzwischen
hatte sich die Frau bis an die Eingangstür gewagt, und ihre Haare bildeten im
Gegenlicht eine silbrige Wolke um ihren Kopf, als sie ins Innere des Hauses
spähte. Sie hielt sich an der Türfassung fest, als wäre sie eine Haltestange in
einem schwankenden U-Bahn-Wagen. „Es ist so dunkel hier drin. Ich halte das
wirklich nicht für ...”
    „Ich
brauche doch mehr als fünf Minuten”, fiel Sam ihr ins Wort, löste eine
kleine Taschenlampe von seinem Schlüsselbund und schaltete sie ein. „Was
hältst du davon, wenn du auf einen Kaffee in die Stadt fährst und mich in ...
sagen wir ... einer halben Stunde wieder hier abholst?”
    „Ich soll
dich hier ganz allein lassen?”
    „Keine
Angst, ich mache nichts kaputt.”
    Abfälliges
Prusten war die Antwort. „Ich mache mir keine Sorgen um das Haus, Sam.”
    „Ich habe
mein Handy dabei”, erklärte er und klopfte mit der Hand auf seine
Gesäßtasche. „Wenn es Probleme gibt, rufe ich dich an.” Die Lachfältchen
in seinen Augenwinkeln vertieften sich. „Dann kannst du kommen, um mich zu
retten.”
    Mit einem
tiefen Seufzer ergab sie sich in ihr Schicksal. „Was genau hoffst du eigentlich
in dieser Ruine zu finden?”
    Sams
Aufmerksamkeit war längst wieder woanders. Das Haus faszinierte ihn zutiefst.
„Ein Zuhause vielleicht.”
    „Dieses
Haus war einmal ein Zuhause, aber ich kann mir beim besten Willen nicht
vorstellen, dass es das je wieder sein kann.”
    Als die
Frau davonfuhr, war der Geist erleichtert.
    Sam machte
sich daran, das Gebäude gründlich unter die Lupe zu nehmen, ging von Zimmer zu
Zimmer, auf Schritt und Tritt gefolgt von dem Geist, und ließ den Strahl der
Taschenlampe langsam hin und her wandern. Auf Kaminsimsen und zerbrochenen
Möbeln lag der Staub in dichten Schleiern.
    An einer
Stelle war der Teppichboden zerrissen. Neugierig ging Sam in die Hocke, zerrte
an dem Teppich und strahlte den Holzboden darunter an. „Mahagoni?”,
murmelte er fragend und musterte die dunkle klebrige Oberfläche. „Oder
Eiche?”
    Schwarze
Walnuss, durchfuhr es den Geist, der ihm über die Schulter schaute. Eine neue
Erkenntnis ... Er verstand etwas von Holzfußböden, wusste, wie man sie von
Teppichkleber befreien, abbeizen, abschleifen und mithilfe unversponnener
Wolle neu streichen konnte.
    Weiter ging
es in die Küche mit der eingelassenen Nische für einen großen gusseisernen
Herd, in der noch ein paar zerbrochene Fliesen an den Wänden hingen. Sam
richtete den Strahl seiner Taschenlampe auf die hohen Kassettendecken und die
schief hängenden Wandschränke. Sein Blick blieb an einem verlassenen Vogelnest
und dem uralten Vogelmist darunter hängen. „Ich muss verrückt sein”,
murmelte er kopfschüttelnd.
    Von der
Küche aus wandte er sich der Treppe zu, wo er kurz stehen blieb und mit dem
Daumen über das Geländer strich. Zerschrammtes rötliches Holz wurde unter dem
Dreck sichtbar. Sorgfältig darauf achtend, wohin er trat, denn die Stufen
waren teilweise morsch, stieg Sam in den ersten Stock hinauf. Von Zeit zu Zeit
verzog er das Gesicht und atmete heftig aus, als wäre ihm ein übler Gestank in
die Nase gestiegen. „Recht hat sie”, meinte er nachdenklich, als er den
Treppenabsatz im ersten Stock erreichte. „Hier hilft nur die
Abrissbirne.”
    Das machte
den Geist nervös. Was würde aus ihm werden, wenn jemand das Haus dem Erdboden
gleichmachte? Womöglich wäre es dann ganz aus mit ihm. Er konnte sich nicht
vorstellen, dass er so lange allein hier festgesessen hatte, nur um am Ende
ohne
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