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Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt

Titel: Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt
Autoren: Robin Hobb
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Nadelbaums. Der Junge kauerte sich erschaudernd dagegen. Seine Kleidung war von demselben Schlamm durchtränkt, der auch sein Gesicht und seine Haare bedeckte.
    »Ich wünschte, ich hätte meine Werkzeuge und Vorräte nicht verloren. Wir müssen Zweige abbrechen, und sie zu einer dichten Matte zusammenstecken.«
    »Ich bin so müde.« Der Junge beschwerte sich nicht – es war einfach nur eine Feststellung. Er blickte Reyn prüfend an. »So schlecht siehst du gar nicht aus, nicht mal aus der Nähe. Ich habe mich immer gefragt, wie du unter diesem Schleier wohl sein würdest. In den Tunneln konnte ich dein Gesicht im Kerzenschein nicht erkennen. Aber als deine Augen letzte Nacht so blau glühten, hatte ich erst Angst. Nach einer Weile war es einfach… na ja, es war gut, sie zu sehen und zu wissen, dass du noch da warst.«
    Reyn lachte. »Glühen meine Augen tatsächlich? Normalerweise passiert das erst, wenn ein Regenwildmann viel älter ist.
    Wir akzeptieren das als ein Zeichen dafür, dass er erwachsen geworden ist.«
    »Oh. Aber in diesem Licht siehst du beinahe normal aus. Du hast nicht viele von diesen warzigen Dingern. Nur ein paar Stellen um deine Augen und deinen Mund.« Selden betrachtete ihn unverhohlen.
    Reyn grinste. »Nein, noch habe ich keine von diesen warzigen Dingern. Aber sie kommen vielleicht ebenfalls mit fortschreitendem Alter.«
    »Malta hatte Angst, dass du überall Warzen haben könntest.
    Einige ihrer Freundinnen haben sie damit aufgezogen, und sie wurde ziemlich wütend. Aber…« Plötzlich schien Selden aufzufallen, dass er nicht sonderlich taktvoll war. »Zuerst, als du ihr den Hof gemacht hast, hat sie sich viel Gedanken darüber gemacht. In letzter Zeit hat sie nicht mehr davon gesprochen«, sagte er aufmunternd. Er blickte Reyn an und krabbelte dann über den Stamm von ihm weg. Er packte einen Zweig und zog daran. »Die lassen sich aber schwer abbrechen.«
    »Ich könnte mir vorstellen, dass sie etwas anderes im Sinn hatte«, murmelte Reyn. Die Worte des Jungen machten ihm das Herz schwer. Bedeutete Malta sein Äußeres so viel? Sollte er sie durch seine Taten gewinnen, nur um dann erleben zu müssen, wie sie sich abwandte, sobald sie sein Gesicht sah?
    Ein bitterer Gedanke stieg in ihm hoch. Vielleicht war sie ja schon tot, und er würde es nie erfahren. Oder er würde sterben, und sie würde niemals sein Gesicht sehen.
    »Reyn?«, fragte Selden zögernd. »Ich glaube, wir sollten besser mit diesen Zweigen loslegen.«
    Reyn wurde unvermittelt klar, wie lange er schweigend dagehockt hatte. Es wurde Zeit, nutzlose Grübeleien beiseite zu schieben. Er packte einen Ast mit beiden Händen und brach einen Zweig ab. »Versuch nicht, den ganzen Ast auf einmal abzubrechen. Brich einfach nur Zweige ab. Wir häufen sie da vorne auf. Wir müssen sie miteinander verbinden, als würden wir ein Dach flechten…« Ein neuerlicher Erdstoß unterbrach ihn. Er hielt sich an dem Baumstamm fest, als Erde von dem zerborstenen Dach auf sie herunterregnete. Selden schrie und schützte seinen Kopf mit den Armen. Reyn krabbelte über den Stamm zu ihm hin und schützte ihn mit seinem Körper. Die uralte Tür der Kammer stöhnte, sackte plötzlich in den Angeln ab, und ein Fluss aus Schlamm und Wasser ergoss sich in die Kammer.

2. Händler und Halunken

    Das leise Schlurfen der Schritte war die einzige Warnung. Ronica blieb wie angewurzelt im Küchengarten stehen. Die Geräusche näherten sich langsam über die Auffahrt. Sie packte den Korb mit den Rüben fester und floh in den Schutz der Weinlaube. Ihre Rückenmuskeln schmerzten protestierend bei den hastigen Bewegungen, aber sie achtete nicht darauf. Lautlos stellte sie den Korb zu ihren Füßen ab. Mit angehaltenem Atem spähte sie durch die handtellergroßen Blätter des wilden Weins. Von ihrem Standort aus sah sie einen jungen Mann, der sich dem Haus näherte. Die Kapuze seines Umhangs verbarg sein Gesicht, und seine verstohlene Art machte deutlich, was er vorhatte.
    Vorsichtig stieg er die Stufen hinauf, die mit Blättern übersät waren. An der Tür zögerte er. Seine Stiefel knirschten auf den Glasscherben, während er in das Haus blickte. Schließlich zog er an der großen Tür, die einen Spalt offen stand. Sie öffnete sich quietschend, und er schlüpfte ins Haus.
    Ronica holte tief Luft und dachte nach. Vermutlich war es nur ein Kundschafter, der herausfinden sollte, ob es noch etwas zu plündern gab. Er würde bald erkennen, dass dem nicht so
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