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Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt

Titel: Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt
Autoren: Robin Hobb
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jetzt begriff Ronica ihre Entscheidung noch nicht ganz. Vielleicht lag es daran, dass ihr nichts Schlimmeres mehr widerfahren konnte, als ihr bis jetzt schon passiert war. Als sie nach Hause kamen, stellte sie fest, dass Vandalen ihr Heim verwüstet und geplündert hatten. Doch selbst die Entdeckung, dass jemand »VERRÄTER« an die Wand von Ephrons Arbeitszimmer geschrieben hatte, konnte sie nicht besonders schockieren. Das Bingtown, das sie kannte, gab es nicht mehr. Es war unwiderruflich verloren. Und wenn alles unterging, war es vielleicht am besten, mit unterzugehen.
    Dennoch war sie nicht die Frau, die so einfach aufgab. In den folgenden Tagen wohnten sie im Gartenhäuschen. Ihr Leben verlief auf eine seltsame Art und Weise normal. In der Stadt unter ihnen wurden die Kämpfe fortgesetzt. Aus dem Obergeschoss des Hauses konnte Ronica den Hafen und die Stadt gerade noch erkennen. Zweimal versuchten die Chalcedeaner, sie einzunehmen. Beide Male wurden sie zurückgeschlagen. Die Nachtwinde trugen stets die Kampfgeräusche und den Geruch von Bränden zu ihnen hinauf. Doch nichts davon schien sie jetzt noch zu betreffen.
    Die kleine Hütte war leicht warm und sauber zu halten, und ihr ärmliches Aussehen machte sie uninteressant für herumstreunende Plünderer. Der Rest des Küchengartens, die vernachlässigten Obstgärten und die übrig gebliebenen Hühner genügten für ihre bescheidenen Bedürfnisse. Sie suchten den Strand nach Treibholz ab, das mit grünblauen Flammen in ihrem kleinen Ofen verbrannte. Ronica wusste allerdings nicht, was sie tun sollten, wenn der Winter nahte. Vermutlich würden sie untergehen. Aber weder vornehm noch freiwillig. O nein.
    Sie würden kämpfen!
    Eben dieselbe Sturheit war jetzt dafür verantwortlich, dass sie vorsichtig den Flur entlangschlich und den Eindringling verfolgte. Sie hielt ihren Knüppel mit beiden Händen. Allerdings hatte sie keinen Plan, was sie tun würde, wenn sie den Mann stellte. Sie wollte einfach nur wissen, was diesen Menschen dazu bewegte, sich hier so heimlich durch ihr verlassenes Heim zu schleichen.
    Das Anwesen nahm bereits den staubigen Geruch von Leere an. Die schönsten Besitztümer der Vestrits waren bereits früher im Sommer verkauft worden, um die Rettungsexpedition für das gekaperte Lebensschiff zu bezahlen. Die zurückgebliebenen Wertsachen hatten eher einen ideellen als einen materiellen Wert gehabt. Kinkerlitzchen und Merkwürdigkeiten von Ephrons Reisen, eine alte Vase, die ihrer Mutter gehört hatte, ein Wandteppich, den sie und Ephron zusammen ausgesucht hatten, als sie frisch verheiratet waren… Ronica verdrängte den Gedanken an diese Einrichtungsgegenstände. Sie waren alle fort, zerbrochen oder von Menschen geraubt, die keine Ahnung hatten, was sie bedeuteten. Sollten sie doch. Ronica verwahrte die Vergangenheit in ihrem Herzen und benötigte keine materiellen Dinge, um sich daran festzuhalten.
    Sie schlich an Türen vorbei, die aus ihren Angeln gerissen worden waren. Während sie dem Vermummten folgte, warf sie nur einen kurzen Blick ins Atrium, in dem umgekippte und zerborstene Übertöpfe ein Bild der Verwüstung boten. Wohin ging er? Sie erhaschte einen Blick auf seinen Umhang, als er ein Zimmer betrat.
    Maltas Zimmer. Das Schlafzimmer ihrer Enkelin?
    Ronica schlich näher. Er redete mit sich selbst. Sie riskierte einen kurzen Blick und betrat dann kühn den Raum. »Cerwin Trell, was tut Ihr hier?«, verlangte sie zu wissen.
    Der junge Mann stieß einen lauten Schrei aus und sprang auf die Füße. Er hatte vor Maltas Bett gekniet. Eine rote Rose lag auf ihrem Kissen. Cerwin starrte Ronica an. Er war kalkweiß im Gesicht und hatte seine Hände vor der Brust verkrampft.
    Seine Lippen bewegten sich, aber es drang kein Laut aus seinem Mund. Sein Blick fiel auf den Knüppel in ihrer Hand, und seine Augen weiteten sich.
    »Ach, setzt Euch endlich!«, rief Ronica gereizt. Sie warf den Prügel auf das Fußende des Bettes und befolgte dann ihre eigene Aufforderung. »Was macht Ihr hier?«, fragte sie erschöpft.
    Sie glaubte die Antwort zu kennen.
    »Ihr lebt«, erwiderte Cerwin leise. Er hob die Hand und rieb sich die Augen. Es schien Ronica, dass er seine Tränen verbergen wollte. »Warum habt Ihr nicht…? Ist Malta auch in Sicherheit? Alle sagten…«
    Cerwin ließ sich neben der Rose auf das Bett sinken und legte seine Hand sanft auf das Kissen. »Ich habe gehört, dass Ihr den Ball zusammen mit Davad Restate verlassen habt. Alle
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