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Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt

Titel: Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt
Autoren: Robin Hobb
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Grabungsarbeiter drängten sich um vier Jugendliche, die ihre Eimer mit frischem Wasser auf den Boden gestellt hatten. »Ein Drache! Ein großer silberner Drache, wenn ich es Euch doch sage! Er ist direkt über uns hinweggeflogen!« Der größte Junge sprach die Worte aus, als wollte er seine Zuhörer herausfordern. Einige Arbeiter wirkten verwirrt, andere schienen von seiner Geschichte angewidert zu sein.
    »Er lügt nicht! Es ist wirklich so gewesen. Er war so real, so hell, dass ich ihn kaum anblicken konnte. Aber er war blau, ein schimmerndes Blau!«, verbesserte ein jüngerer Bursche.
    »Silberblau!«, mischte sich der Dritte ein. »Und größer als ein Schiff!« Das einzige Mädchen in der Gruppe schwieg, aber ihre Augen leuchteten vor Erregung.
    Keffria blickte Jani an und erwartete, einen gereizten Blick zu sehen. Wie konnten diese Jungen es sich herausnehmen, eine so ungeheuerliche Geschichte zu erfinden, wenn Menschenleben auf dem Spiel standen? Doch die Regenwildfrau war leichenblass geworden, was die Falten und Runzeln um ihre Augen und Lippen noch stärker betonte. »Ein Drache!«, stammelte sie. »Ihr habt einen Drachen gesehen?«
    Der große Junge spürte ihr Verständnis und drängte sich durch die Gruppe zu ihr. »Es war ein Drache, und zwar einer wie auf den Fresken. Ich erfinde das nicht, Händlerin Khuprus.
    Aus irgendeinem Grund habe ich hochgeblickt, und da war er.
    Ich habe meinen Augen nicht getraut! Er flog wie ein Falke!
    Nein, mehr wie eine Sternschnuppe! Er war so wunderschön!«
    »Ein Drache!«, wiederholte Jani benommen.
    »Mutter!« Bendir war so schmutzig, dass Keffria ihn kaum erkannte, als er sich durch die Gruppe schob. Er sah den Jungen an, der vor Jani stand, und blickte dann in das erschrockene Gesicht seiner Mutter. »Also hast du es schon erfahren. Eine Frau, die oben in der Stadt die Babys hütete, hat einen Jungen geschickt, der berichtete, was sie gesehen hat. Einen blauen Drachen!«
    »Kann das sein?«, fragte Jani erschüttert. »Könnte Reyn die ganze Zeit Recht gehabt haben? Was bedeutet das?«
    »Zwei Dinge«, erwiderte Bendir gespannt. »Ich habe Leute ausgeschickt, die die Stelle ausfindig machen sollen, von wo die Kreatur aus der Stadt ausgebrochen ist. Nach der Beschreibung war sie zu groß, um sich durch die Tunnel zu zwängen.
    Sie muss aus der Kammer des Gekrönten Hahns gekommen sein. Vielleicht gibt es dort eine Spur von Reyn. Möglicherweise tut sich so ein anderer Weg auf, wie wir in die Stadt gelangen und nach Überlebenden suchen können.« Stimmengemurmel erhob sich, eine Mischung aus Unglauben und Staunen.
    Bendir sprach lauter, um den Lärm zu übertönen. »Das Zweite ist: Wir dürfen nicht vergessen, dass diese Kreatur unser Feind sein kann.« Als der Junge neben ihm protestieren wollte, warnte Bendir ihn. »Ganz gleich, wie schön sie aussehen mag, sie könnte uns Böses wollen. Wir wissen so gut wie nichts über die wahre Natur von Drachen. Tut nichts, um ihn zu ärgern, und nehmt auch nicht an, dass er die gutmütige Kreatur ist, die wir auf den Fresken und Mosaiken gesehen haben. Und erregt nicht seine Aufmerksamkeit.«
    Jetzt schwoll das Gemurmel zu einem lauten Stimmengewirr an. Keffria zupfte verzweifelt an Janis Ärmel und versuchte, sich in dem Lärm verständlich zu machen. »Wenn Ihr dort Reyn findet… Glaubt Ihr, dass Malta bei ihm ist?«
    Jani sah ihr direkt in die Augen. »Genau das hat er befürchtet«, erwiderte sie. »Dass Malta zu der Kammer des Gekrönten Hahns gehen würde. Und zu der Drachenkönigin, die dort schlief.«
    »Ich habe noch nie etwas so Wundervolles gesehen. Glaubst du, dass sie zurückkommt?« Der Junge flüsterte, vor Schwäche wie vor Ehrfurcht.
    Reyn drehte sich um und betrachtete ihn. Selden kauerte auf einer kleinen Insel aus Müll über dem Schlamm. Er starrte auf das Licht über ihnen, und seine Miene verriet, dass er noch vollkommen im Bann dessen stand, dessen Zeuge sie gerade geworden waren. Die befreite Drachenkönigin war verschwunden, schon weit außerhalb ihres Blickfelds, aber der Junge starrte immer noch in den Himmel.
    »Wir sollten uns besser nicht darauf verlassen, dass sie zurückkommt und uns rettet. Das dürfte wohl uns beiden überlassen bleiben«, erklärte Reyn pragmatisch.
    Selden schüttelte den Kopf. »Oh, das meinte ich auch nicht.
    Ich erwarte nicht einmal, dass sie uns überhaupt wahrnimmt.
    Ich glaube auch, dass wir uns selbst befreien müssen. Aber ich würde sie gern noch einmal
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