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Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott

Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott

Titel: Wunderbare Fahrten und Abenteuer der kleinen Dott
Autoren: Tamara Ramsay
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und der Erde und der Luft liegen im Zauberbann und seufzen
nach Erlösung!«
    Als der Kobold wieder auf die Kleine
schaute, da sah er, wie sie ihn mit ihren großen Augen aufmerksam ansah. — Seit
sie in dieser Nacht ihre menschliche Gestalt verloren hatte, wußte sie, wie es
war, wenn man verzaubert war und sich nach Erlösung sehnte.
    »Wie kann denn das geschehen?« fragte
sie ernst.
    »Alle Wesen hegen in Verzauberung und
seufzen nach Erlösung«, flüsterte das Feuermännchen noch einmal und hob
bedeutungsvoll den kleinen Finger. »Und nur ein Mensch, der reinen Herzens ist
und ihnen wohl will, kann sie erlösen.« — Und plötzlich war er vor den Augen
der Kleinen verschwunden.

Der Morgen
     
     
     

Die Mutter
     
    Als Dott am nächsten Morgen erwachte,
war es nicht ihr warmes Bett, in dem sie saß, sondern das Gras auf dem Hügel am
See. Neben ihr lagen auf dem großen Aschenfleck die letzten glimmenden Scheite
des Johannisfeuers. Sogleich fielen ihr auch die Ereignisse der Nacht ein, aber
sie meinte, das alles könnte doch gar nicht wahr sein.
    »So ein verrückter Traum mit der
Rennefarre!« dachte sie. »Aber wie komme ich denn eigentlich hierher? — Ob das
jetzt wohl auch ein Traum ist? Aber wenn ich mich kneife, dann tut das weh. —
Dann bin ich also wirklich unsichtbar geworden? — Nun, jedenfalls kann ich
fühlen, wenn mir etwas weh tut. Also bin ich noch wirklich da.«
    »Aber wie ist das denn, wenn man
unsichtbar ist?« überlegte sie weiter. »Ich selbst kann mich doch noch sehen,
denn das da sind meine eigenen Hände und Füße. — Ob ich wohl meine Schuhe jetzt
ausziehen kann!«
    Nein, sie saßen noch immer so fest wie
angewachsen.
    »Also bin ich nun verzaubert und
unsichtbar«, stellte sie fest. »Und was mach’ ich jetzt?«
    Der Morgennebel lag wie blauer Dunst
über dem See, und die Sonne schoß blendende Pfeile zwischen den riesigen,
halbversunkenen Felsblöcken des Dolmens hindurch auf das Lager der Kleinen. Sie
stand auf und schlug die Gräser und Blätter aus ihrem Röckchen. Dabei war ihr
so traurig ums Herz wie noch nie, und alle Glieder taten ihr weh. — »Ich werde
einfach zu Vater und Mutter zurückkehren«, überlegte sie. »Sie werden mir
sicher verzeihen, wenn sie von meinem Unglück hören.« — Plötzlich aber kam ihr
ein neuer Gedanke. »Sie werden mich doch nicht etwa verstoßen, weil sie mich
nicht mehr sehen können?« — Und sie erschrak so sehr, daß sie sofort zum Dorf
hinunterlief und nicht innehielt, bis sie den Hof ihres Vaters sah.
    Da befiel sie eine große Angst, und sie
beschloß, sich unmerklich in den Eren zu schleichen. Eren aber nennt man in der
Prignitz den Flur in den fränkischen Bauernhäusern. Denn die Nachkommen der
Siedler aus dem Reich jenseits der Elbe bauten ihre Höfe und Häuser auch in der
Prignitz noch genauso, wie ihre Vorfahren sie in der fränkischen Heimat gebaut
hatten.
    Hier im Eren versteckte sich die Kleine
hinter den Mänteln und dem Arbeitszeug der Eltern. Die Tür zur Küche war an
diesem Morgen nur halb geschlossen, und Dott konnte durch den Spalt die Mutter
sehen, die aufrecht auf dem Küchenstuhl saß, die Hände fest ineinander
verschränkt.
    »Warum glaubst du denn, daß die kleine
Dott nicht mehr lebt, Mala?« hörte die Kleine eine männliche Stimme fragen.
»Vater Gnilica«, dachte Dott erleichtert.
    »Du wärest ja sicher nicht
hiergeblieben, Vater Gnilica, wenn du erwarten würdest, daß die Männer und
Frauen unseres Dorfes das Kind lebend heimbrächten«, hörte sie nun wieder die
Mutter.
    »Du weißt ja ganz gut, was für eine
Nacht gestern war, Mala«, fuhr der Schäfer ruhig fort. »Es könnte ja auch sein,
daß die kleine Dott nicht verunglückt ist, sondern bei den Unsichtbaren weilt.
Wer weiß, vielleicht hat sie die Blüte der Rennefarre im Schuh und muß nun
selbst unsichtbar und fern von der Gemeinschaft der Menschen umherwandern, bis
sie erlöst wird.«
    Dott schlug das Herz zum Zerspringen.
Sie wollte zur Mutter eilen und rufen: »So ist es! — Hier bin ich, Mutter, wenn
du mich auch nicht sehen kannst!«
    Da aber hörte sie, wie die Mutter
wieder zu sprechen begann: »Ja, jetzt sehe ich wirklich, daß Krankheit und Tod
der Kinder nicht das größte Unglück sind! — Du willst mich trösten, Vater
Gnilica — aber das sage ich dir — wehe mir, wenn ich um ein Kind weinen müßte,
das zum Schrecken der Menschen geworden ist!«
    Als Dott diese Worte hörte, ging sie
still aus dem Haus und über den
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