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Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Realismus und Naturalismus

Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Realismus und Naturalismus

Titel: Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Realismus und Naturalismus
Autoren: Brockhaus
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schlesischen Weber waren Heimarbeiter, die ihre Webstühle im Handbetrieb bedienten. Sie waren von ihren Arbeitgebern abhängig, die ihnen die Rohstoffe lieferten und die fertigen Waren abnahmen. Die Konkurrenz einheimischer und britischer Waren, die bereits industriell produziert wurden, führte dazu, dass sich über Jahrzehnte hinweg Arbeitsbedingungen und Entlohnung der schlesischen Weber immer mehr verschlechterten.
    Gesetzlichen Schutz gegen die Ausbeutung der Lohnarbeiter gab es nicht. Auch vermehrte Kinderarbeit und die Ausdehnung der täglichen Arbeitszeit glichen den Lohnverfall nicht aus. So kam es 1844, obwohl Zusammenschlüsse von Arbeitern und Handwerkern verboten waren, in zwei schlesischen Städten zu einer gemeinsamen Aktion von 3000 Webern, um Lohnerhöhungen durchzusetzen. Als diese abgelehnt wurden, drang die Menge in die Häuser der Fabrikherren ein, wobei Einrichtungen und Maschinen zerstört wurden. Der Aufstand wurde binnen kurzem von preußischem Militär blutig niedergeworfen.
    Die zweite Haupttendenz besteht in einer systematischen Verknüpfung naturalistischer und nichtnaturalistischer Momente. Besonders anschaulich kommt das in »Und Pippa tanzt«, einem »Glashüttenmärchen« aus dem Jahr 1906, zum Ausdruck. Das Stück kontrastiert eine in Dialektprosa dargestellte, reale, mit einer in Hochdeutsch, teilweise sogar in Versen gehaltenen idealen Sphäre. Es zeigt, was geschieht, wenn ein Abgesandter der niederen Triebwelt in das Reich des Geistes eindringt.
    Die dritte Tendenz seines späteren Schaffens besteht in der konsequenten Fortführung des bislang erarbeiteten naturalistischen Dramenstils. Die bedeutendsten hierher gehörenden Werke entstanden für die von Brahm geleiteten Berliner Theater, nämlich das Deutsche Theater und das Lessingtheater. »Fuhrmann Henschel« (1898), ein Stück, für das Hauptmann den Grillparzer-Preis erhielt, ist von Thomas Mann als »attische Tragödie« im »rauen Gewand volkstümlich-realistischer Gegenwart« bezeichnet worden. »Rose Bernd« (1903) erneuerte das bürgerliche Trauerspiel der beiden vergangenen zwei Jahrhunderte und mit der Tragikomödie »Die Ratten« (1911) erreichte Hauptmanns Dramenkunst erneut einen Höhepunkt.
    DER NOBELPREISTRÄGER
    Hauptmanns langes Leben umfasste die kontrastreichsten Perioden deutscher Geschichte, vom Sieg über Frankreich 1871 und der Reichsgründung bis zur Zerstörung Dresdens und den Anfängen Nachkriegsdeutschlands. Seit 1900, als sein Sohn Benvenuto geboren wurde, war Hauptmanns Ehe immer stärker gefährdet. 1901 übersiedelte er nach Agnetendorf, 1904 ließ er sich von Maria scheiden und heiratete Margarete Marschalk. Die beruflichen Erfolge häuften sich. Der Dichter erhielt 1905 die Ehrendoktorwürde der Universität Oxford und 1909 die der Universität Leipzig. Den Höhepunkt aller Ehrungen bildete aber das Jahr 1912, in dem Hauptmann den Nobelpreis für Literatur erhielt. Der Nobelpreis wurde Hauptmann auch aufgrund seiner romantisch-mystischen Werke verliehen. In der Laudatio heißt es hierzu: »Hauptmann hat auch dramatische Werke ganz anderer Art geschaffen. Märchendramen, wie er sie nennt. Dazu zählt ›Hanneles Himmelfahrt‹ (1893), ein entzückendes Stück, in dem sich der Kontrast zwischen dem Elend des Lebens und der himmlischen Verklärung deutlich abzeichnet.«
    1921 verlieh ihm die Universität Prag die Ehrendoktorwürde, ein Jahr später veranstaltete die Stadt Breslau Gerhart-Hauptmann-Festspiele (die 1913 noch verboten worden waren), 1924 überreichte man an den inzwischen allerorts Gefeierten den Adlerschild des Deutschen Reiches (Friedensklasse des Pour le Mérite) und 1928 ernannte man Hauptmann zum Mitglied der Preußischen Akademie der Künste. Obwohl der Autor Hauptmann in all diesen Jahren unermüdlich tätig war, begann der Mythos Hauptmann, jene Gestalt, die als maßgeblicher Repräsentant der deutschen Kunst galt, den Schriftsteller in den Schatten zu stellen – Thomas Mann nannte den Dichter 1922 den »König der Republik«.
    ›Sobald einer in einer Sache Meister geworden ist, sollte er in einer neuen Sache Schüler werden.‹
    Gerhart Hauptmann
    DIE POLITISCHE HALTUNG
    Hauptmanns politische Haltung gab Anlass zu Kontroversen. Den Konservativen galt er seit den »Webern« als Sozialist. Der Dichter selbst war da anderer Ansicht – er glaubte an die Wertfreiheit und Neutralität der Kunst. Freilich, wenn er in einem Gedicht den Poeten aufforderte: »O beuge dich nieder
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