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Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Realismus und Naturalismus

Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Realismus und Naturalismus

Titel: Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Realismus und Naturalismus
Autoren: Brockhaus
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Bezeichnung »Jung-Wien«, »Wiener Moderne« oder »Junges Österreich« zusammengefasst werden. Es folgten persönliche Kontakte zu dem einflussreichen dänischen Literaturkritiker und Schriftsteller Georg Brandes, zu dem Norweger Henrik Ibsen – dem für Schnitzlers Schriftstellergeneration wichtigsten Dramatiker – sowie zu Otto Brahm, Alfred Kerr und Gerhart Hauptmann, die im Theaterleben Deutschlands bedeutsam waren.
    Nach Gedichten und Prosa entstanden 1888 bis 1891 Schnitzlers szenische Skizzen zu seiner Einakterreihe »Anatol«. Diese erschienen 1892 (datiert auf 1893) in Berlin und bezogen die analytischen Fähigkeiten des Mediziners sowie dessen Erfahrungen mit Suggestion und Hypnose mit ein. 1895 erregte er mit dem am Wiener Burgtheater uraufgeführten Schauspiel »Liebelei« einen Skandal, da es unter Rückgriff auf die Form des bürgerlichen Trauerspiels das Verhältnis eines Mannes aus besseren Kreisen zu einem »süßen Mädel« aus der Wiener Vorstadt thematisiert. 1895 erschien auch die Novelle »Sterben« in seinem späteren Hausverlag S. Fischer in Berlin.
    Nach einigen kleineren Arbeiten, etwa »Die Toten schweigen« (1897) und »Der grüne Kakadu« (1899), kam 1901 Schnitzlers Novelle »Lieutenant Gustl« als Buch heraus, nachdem sie im Jahr zuvor in der Weihnachtsnummer der Wiener »Neuen Freien Presse« abgedruckt worden war und ebenfalls einen Skandal entfacht hatte. In dieser Monolognovelle – sie stellt den ersten durchgängigen inneren Monolog in der deutschsprachigen Literatur dar – zeigte Schnitzler, wie zweifelhaft ihm der Ehrenkodex des Militärs erschien.
    Die Folge war, dass ihn nationalistische und militärische Kreise scharf angriffen und ihm schließlich nach einem ehrenrätlichen Verfahren sein Offiziersrang aberkannt wurde.
    »JUNG-WIEN« IM CAFÉ GRIENSTEIDL
    Nachdem im 17. Jahrhundert der Kaffee nach Italien und England gelangt war, wurden Kaffeehäuser in ganz Europa zu gesellschaftlichen Treffpunkten und dienten insbesondere dem intellektuellen Austausch. Für die Autoren von Jung-Wien war das Café Griensteidl im Palais Herberstein bis zu dessen Abriss 1897 ständiger Begegnungsort.
    Um Hermann Bahr, der allen Pariser Kunstmoden aufgeschlossen gegenüberstand, versammelten sich im Café Griensteidl Autoren wie Richard Beer-Hofmann, Peter Altenberg, Hugo von Hofmannsthal, Karl Kraus und Arthur Schnitzler. Hier verfolgten sie ihre Absicht, die Literatur von der Realitätsabbildung des Naturalismus wegzuführen und sie für die synästhetischen, verschiedenartige Sinneseindrücke miteinander verschmelzenden Seelenlandschaften des Symbolismus oder auch für die Exzesse der Dekadenz zu öffnen.
    DER »REIGEN«
    Großen Skandal erregte auch Schnitzlers Szenenreihe »Reigen«, die er 1896/97 geschrieben hatte und die 1900 als Privatdruck, 1903 in Wien dann als öffentliche Ausgabe erschien. Der »Reigen« zeigt den Egoismus und die Kälte, die in sexuellen Beziehungen herrschen können, und stellt die bürgerliche Ehe als leere Form dar, innerhalb deren der menschliche Sexualtrieb nicht auslebbar sei. In einem streng komponierten Reigen treffen nacheinander zehn Paare zum Liebesakt zusammen. In kunstvoll aufeinander bezogener Dialogfolge wird die körperliche Liebe in allen sozialen Schichten durchgespielt. Beteiligt sind Dirne, Soldat und Stubenmädchen, ein Ehepaar aus der »besseren« Gesellschaft, das im Wiener Theater dieser Zeit typische »süße Mädel«, Künstler und Graf. Dabei sind die Szenen so verknüpft, dass in den jeweils folgenden Szenen immer nur ein Partner ausgetauscht wird und in der letzten Szene eine Figur aus der ersten wieder auftritt und dadurch den Reigen schließt – und im Grunde auch wieder eröffnet. Diskret und enthüllend zugleich sind die Dialoge: Phrasen und sprachliche Posen offenbaren psychische Tiefen, die den Figuren selbst nicht bewusst sind. Der sinnliche Reigen entpuppt sich letztlich als Totentanz.
    In Deutschland wurde dieses Werk schon kurz nach seinem Erscheinen verboten. Erst im Jahr 1920 wurde es in Berlin uraufgeführt, nachdem sich Schnitzler auch nach behördlicher Freigabe lange geweigert hatte, einer Inszenierung zuzustimmen. Doch es zog nur weitere Skandale und Prozesse nach sich: In Berlin kamen Schauspieler und Direktion wegen der Erregung öffentlichen Ärgernisses vor Gericht, in Wien wurden 1921 nach Tumulten bei der dortigen Erstaufführung weitere Aufführungen polizeilich verboten. Deshalb sperrte Schnitzler das
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