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Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Realismus und Naturalismus

Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Realismus und Naturalismus

Titel: Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Realismus und Naturalismus
Autoren: Brockhaus
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gibt keine Dichtung, ebenso wenig wie eine Blüte und Frucht, sie sauge denn ihre Kraft aus der Erde!« Trotz dieser Einschränkung gilt: Für Hauptmanns Entwurf des »sozialen Dramas«, mit dem er das zeitgenössische Theater revolutionierte, ist seine Beziehung zur naturalistischen Bewegung essenziell gewesen.
    DIE ERSTEN DRAMEN UND NOVELLEN
    Während seiner Studentenzeit war Hauptmann Mitglied einer utopistischen Vereinigung, des Ikarierbundes, gewesen, mit dessen aufrührerischen Aktivitäten sich 1887 ein Breslauer Gericht beschäftigte. Um diesem Verfahren und den damals in Deutschland grassierenden Sozialistenverfolgungen zu entgehen, begab sich Hauptmann 1888 für mehrere Monate nach Zürich. Der dortige Literatenkreis – zu dem der junge Schriftsteller Frank Wedekind gehörte – vermittelte ihm wichtige Impulse in Richtung eines ausgeprägt sozialen Engagements. Deshalb ist es glaubhaft, dass Hauptmann bereits zu diesem Zeitpunkt die Kernidee zu den »Webern« entwickelte.
    1887 schuf Hauptmann mit der Novelle »Bahnwärter Thiel« eines der ersten naturalistischen Prosastücke, doch für das naturalistische Drama musste erst der Boden bereitet werden. Vor allem stand einem solchen Projekt die strenge Theater-Vorzensur entgegen, die in Preußen praktiziert wurde. Um sie zu umgehen, wurde 1889 in Berlin die »Freie Bühne« gegründet, die als zweites Stück nach Ibsens »Gespenstern« am 20. Oktober Hauptmanns frühestes Drama zur Aufführung brachte: »Vor Sonnenaufgang«.
    Das Stück erregte beträchtliches Aufsehen, rief sowohl große Begeisterung als auch heftige Entrüstung hervor. Im Mittelpunkt des sozialen Dramas steht eine schlesische Bauernfamilie, deren Mitglieder ihren jeweiligen Trieben und Süchten verfallen sind. Das Schicksal ist durch Vererbung und Milieu vorherbestimmt, den Akteuren bleibt nur, auf diese Umstände zu reagieren. Ein schlimmes Ende ist vorprogrammiert. Die skandalträchtige Premiere des Stücks entschied über die weitere Richtung des Theatervereins, in dessen Vorstand Hauptmann gewählt wurde. Der Lebenswirklichkeit ins Auge zu blicken wurde nun vom Vorsitzenden Otto Brahm als der moderne Weg des deutschen Dramas gefordert. Und nicht zuletzt die Eigenart Hauptmanns, die innovativen Kräfte des Naturalismus an eine traditionelle Kunsttheorie und -praxis zu koppeln, trug zur Breitenwirkung dieser Strömung bei.
    DIE »WEBER«: HÖHEPUNKT DES SOZIALEN DRAMAS
    In der Zeit zwischen 1889, dem Jahr, in dem ein weiterer Sohn, Klaus, geboren wurde, und 1893 schrieb Hauptmann Stück um Stück. Es entstanden die Familientragödien »Das Friedensfest« (1890) und »Einsame Menschen« (1892) im Stile Ibsens. In ihnen wird erneut, ganz im Sinne des Naturalismus, die Macht des gesellschaftlichen Milieus und der Vererbung zum dominierenden Faktor. Johannes Vockerat in »Einsame Menschen« verkörpert bereits den Typus des schwachen, zum Selbstmord neigenden »Helden«, der in den späteren Werken Hauptmanns häufig wiederkehrt. Mit »College Crampton« (1892) versuchte sich Hauptmann auch erstmals an einem Lustspiel: eine eigenartige Einkleidung eines Inhalts, der die Zerstörung des Menschen durch Alkohol behandelt. Mit der zweiten Komödie »Der Biberpelz« gelang ihm ein Meisterwerk, das allerdings bei seiner Aufführung durchfiel und viele Jahre brauchte, um sich einen Stammplatz auf den Bühnen zu erobern. Die Premiere fand im Jahr 1893 statt, in dem Hauptmann auch die Traumdichtung »Hanneles Himmelfahrt« schrieb. Sie beginnt im Armenhaus eines schlesischen Gebirgsdorfes und endet scheinbar im Himmel, bis ein kurzes pantomimisches Nachspiel verdeutlicht, dass es nur die Fieberfantasien des sterbenden Mädchens waren, die einen überirdischen Glanz über die bittere Realität gelegt hatten.
    DER NATURALISMUS – PERFEKTE WIRKLICHKEITSILLUSION
    Unter dem Einfluss der Romane Émile Zolas versuchten die deutschen Naturalisten zunächst, ihre Vorstellungen in der Prosa umzusetzen. Wegweisend waren hier vor allem Gerhart Hauptmanns »Bahnwärter Thiel« (1887) und »Papa Hamlet« (1889) von Arno Holz und Johannes Schlaf. Bekannt geworden ist der Naturalismus bei den Zeitgenossen aber durch Dramen.
    Die Sprache der Stücke war die Umgangssprache oder der Dialekt; zum Teil wurde gestammelt und gestottert, um eine perfekte Wirklichkeitsillusion zu schaffen. Übermäßiger Alkoholkonsum, zerrüttete Familienverhältnisse, Geisteskrankheit, Armut und Prostitution waren bevorzugte Themen der
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