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Wolken über dem Meer: Roman (German Edition)

Wolken über dem Meer: Roman (German Edition)

Titel: Wolken über dem Meer: Roman (German Edition)
Autoren: Luanne Rice
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sein!«
    »Es tut mir leid«, sagte Patrick.
    Lily lehnte sich schluchzend an Liams Brust. Wenn sie während der Fahrt nach Boston nur auf ihr Herz gehört hätte. Irgendetwas hatte sie gedrängt, nach Hause zu fahren, nach Hubbard’s Point. Sie hatte den Gedanken verworfen und gedacht, es sei nur das altbekannte Heimweh, ausgelöst durch den Aufenthalt in Neu-England. Aber es war Maeve gewesen, die nach ihr verlangte. Sie waren immer sehr eng verbunden gewesen; wieso hatte sie sich eingebildet, ihrer Großmutter bliebe genug Lebenszeit, bis Lily eine Rückkehr als sicher empfand?
    »Warum habe ich nur so lange gewartet?«, schluchzte sie. »Sie hat mich gebraucht, und ich war nicht da.«
    »Du musstest an Rose denken.« Liam küsste ihr Haar. »Du hattest gute Gründe, in deinem Versteck zu bleiben.«
    »Maeve liebt Sie«, sagte Patrick. »Es muss ein gutes Gefühl für sie gewesen sein, Ihnen bei der Flucht helfen zu können. Sie hätte nicht gewollt, dass Sie ihretwegen zurückkehren und das Unheil geradezu herausfordern.«
    »Patrick hat mir erzählt, dass sie immer das Brillenetui bei sich trägt, das du für sie gestickt hast«, sagte Marisa.
    »Ich habe sie zum Nanouk-Ehrenmitglied ernannt«, sagte Lily schniefend.
    »Die Nanouks stehen hinter dir. Egal, wohin es dich verschlägt und wie du entscheidest. Das weißt du hoffentlich …«
    »Ja, das weiß ich.« Lily strich ihr über die Wange. »Und das gilt auch für dich. Die Nanouks haben mir das Leben gerettet, als ich hierherkam.«
    »Und du hast meins gerettet«, erwiderte Marisa.
    »Wie soll es nun weitergehen?«, fragte Patrick.
    »Ich könnte hinfahren«, sagte Lily. »Edward müsste nicht zwangsläufig davon erfahren.«
    »Oder wir legen es darauf an, dass er Wind davon bekommt«, meinte Patrick. »Damit wir Ihnen helfen können, gegen ihn vorzugehen.«
    »Er würde herausfinden, dass es Rose gibt«, flüsterte Lily; bei dem Gedanken gefror ihr das Blut in den Adern. Sie wusste, bei einer Rückkehr nach Connecticut musste sie sich mit der unerbittlichen Wahrheit über den Mann auseinandersetzen, den sie verlassen hatte. Er war der Vater ihrer Tochter. Sie hatte ihn lange gefürchtet, doch nun wusste sie, dass es Gefühle gab, die stärker waren als die Angst.
    »Maeve braucht Sie«, gab Patrick zu bedenken.
    »Du musst zu ihr«, drängte Liam.
    »O Gott«, flüsterte Lily. Sie umklammerte seine Hand und sah ihm tief in die Augen. Sie spiegelten den Ernst und die Trauer wider, die sie selbst empfand. Roses Herz heilte, während ihr eigenes brach. Was wäre, wenn ihre Großmutter in Zukunft Pflege brauchte? Lily würde bei ihr bleiben und sich um sie kümmern. Sie hatte viel wiedergutzumachen: die vielen verlorenen Jahre, die verpassten Geburtstage und Feiertage. Maeve hatte Rose nie kennengelernt. Sie war nicht nur eine wunderbare Großmutter für Lily gewesen, sondern hätte auch für Roses Leben eine unendliche Bereicherung dargestellt. Edwards wegen hatten sie aufeinander verzichten müssen.
    »Liam.« Sie sah ihm in die Augen. Sie hatten sich gerade erst gefunden, wie konnte sie ihn da verlassen? »Ich kann nicht von dir fortgehen.«
    »Nanny weist dir den Weg dorthin, das weißt du doch, oder?«
    »Was soll das heißen?«
    Er nahm ihre Hand, führte sie zum Computer und deutete auf die zuletzt geortete Position von MM122: Sie befand sich im Sund von Long Island, direkt vor der Landspitze von Hubbard’s Point. Für Lily war diese Neuigkeit unfassbar – sie schien ein weiteres Wunder zu bestätigen. Wie konnte sie daran zweifeln?
    »Sie weist dir den Weg nach Hause«, sagte Liam.
    »Mein Zuhause ist hier.«
    »Lily. Ich weiß, dass du Angst hast. Aber findest du es nicht erstaunlich, dass ein Beluga die weite Strecke an der Ostküste entlang nach Süden zurücklegt, bis Hubbard’s Point?«
    »Ist das wirklich möglich?« Lilys Kehle war wie zugeschnürt.
    »Es ist so, wirklich und wahrhaftig. Dafür gibt es Beweise, hieb- und stichfeste und reale.«
    Lily schloss die Augen. Als sie sie wieder öffnete, fiel ihr Blick auf das Foto, das über Liams Schreibtisch hing: Tecumseh Neill, der Patriarch der Familie, der neben seinem Walfangschiff, der Pinnacle, posierte. Daneben befand sich die Kopie eines Briefes an seine Frau, die zu Hause auf Cape Hawk wartete:
    »Ich bin einem einzelnen Wal gefolgt«, stand dort in einer gestochenen, eleganten Handschrift. »Einem Weibchen. Sie lockt uns an mit ihrem Gesang, des Nachts, wenn kein Laut zu vernehmen
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