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Wolke 8...

Wolke 8...

Titel: Wolke 8...
Autoren: Monika Kunze
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genau zu jener Zeit erlebte ich meinen ersten Orgasmus. Aber ich will nicht vorgreifen.
    Unser Sohn war längst den Kinderschuhen entwachsen. Er hatte sein Jurastudium erfolgreich absolviert und arbeitete als Rechtsanwalt in seiner eigenen Kanzlei in der Landeshauptstadt. Wir waren beide stolz auf ihn, aber Thomas kam in seiner Nüchternheit ganz nach dem Vater. So ein Lob oder Gefühlsausbruch hätte ihn womöglich nur verwirrt. Sagte mein Mann.
    Also hielt ich auch mich zurück mit derlei Gefühlsduseleien.
    Ob wir glücklich waren? Aber natürlich! Irgendwo hatte ich mal gelesen, dass man sich so etwas gar nicht fragen sollte. Das tue man nur, wenn man sich unglücklich fühlt.
    Sollten solche dummen Gedanken mich wirklich ab und zu heimsuchen, schob ich sie einfach beiseite. Ich tat in Haus und Garten meine Pflicht, um meinem Mann keinerlei Grund zu Beanstandungen zu geben.
    Doch auch ich wurde nicht jünger. Eine Haushaltshilfe einzustellen, ging mir (und vor allem meinem Mann!) gegen den Strich. Ich wollte (und sollte) alles ganz allein schaffen: das Einkaufen, das Kochen, das Wäsche waschen und bügeln, das Putzen, säen und ernten, das Marmelade kochen, Obst konservieren, Gurken einlegen, alle Fenster putzen - und was es noch so für
Kleinigkeiten
in einem großen Haus mit Garten zu erledigen gibt. Natürlich schob ich auch den Rasenmäher von einer äußersten Ecke des Gartens in die andere, legte, weil ich mich nicht mehr so gut bücken konnte, Hochbeete für die Blumen und das Gemüse an.
    Bis ich eines Tages zusammenbrach.
    Da hatte ich noch nicht einmal das 60. Lebensjahr erreicht.
    "Ja, mein Gott, Elisabeth, was machst du denn für Geschichten?" rief Robert aus, als er mich mittags vor einem halb aufgeschütteten Hochbeet fand. Ich war gerade wieder zu mir gekommen und konnte ihm sein Frage noch gar nicht richtig beantworten. Das sah mein Angetrauter wohl ein und unterließ es diesmal tatsächlich, sich danach zu erkundigen, was es denn Schönes zu essen gäbe.
    Stattdessen setzte er eine Maschinerie in Gang, die mich von ihm weg und ins Krankenhaus brachte.
    Dort ließ ich erst einmal alles über mich ergehen: Blut abzapfen, EKG, Röntgen, Ultraschall, Magenspiegelungen. Alles in Ordnung. Sagten die Weißkittel. Aber mir war hundeelend, ich wollte nicht aus dem Bett, weinte, obwohl ich selbst keinen Grund dafür erkennen konnte. Sie stellten mich auf den Kopf, von da wieder auf die Füße, schoben mich in lange Röhren, in denen ich Platzangst bekam.
    Und wozu? Wo es sich doch auch bei dieser Untersuchung herausstellte, dass alles in Ordnung war?
    Als ich bei einer Visite das Wort Dauerstresssyndrom aufschnappte, verstand ich die Welt nicht mehr. Ich? Stress? Nein, das konnte doch nicht sein. Unter Tränen sprach ich mit meinem Mann bei einem seiner spärlichen Besuche darüber. Auch Robert reagierte fassungslos.
    "Wovon sollst du denn gestresst sein? Du hast doch noch nie in Deinem Leben richtig gearbeitet …"
    Was er noch sagte, konnte ich nicht mehr verstehen, denn ich hörte jemanden laut heulen und schluchzen. Erst , als er gegangen war, verstand ich, dass da niemand anderer geweint hatte als ich selbst.
    Und dann ging alles ganz schnell. Ich sollte mich in einem Sanatorium erholen.
    "Das wird Ihnen gut tun, Frau Stenzel ", sagte die Frau vom Sozialen Dienst voller Anteilnahme.
    "Ja, aber, was wird aus meinem Mann? Er ist es nicht gewöhnt, für sich selbst zu sorgen …" gab ich, zugegeben schon ein wenig halbherzig, zu bedenken.
    Frau Ebert lachte.
    "Ja, ich hatte bei unserem Gespräch auch den Eindruck, dass Ihr Gatte nur darauf wartet, dass Sie wieder voll einsatzfähig sind, aber auch dafür werden wir eine Lösung finden. Außerdem kann er ja noch manches lernen mit seinen 62 Jahren… " Sie raffte ihren Papierkram zusammen und verschwand.
    Wenn die wüsste, mein Robert kann ja noch nicht einmal ein Spiegelei ordentlich braten, geschweige denn, dass er weiß, welche Knöpfe an der Waschmaschine zu drücken wären,
dachte ich und grübelte, wie ich das Krankenhaus heimlich verlassen könnte. Sollte ich etwa aus dem Fenster klettern?
    Ein Blick aus demselben brachte mich schnell von meinem Vorhaben ab. Es war so hoch, dass mir allein vom Herunterschauen schwindlig wurde.
    Plötzlich wurde mir richtig schwarz vor Augen, und ich hatte das Gefühl in eine bodenlose Tiefe zu fallen.
    *
     
    "Frau Stenzel, wie geht es Ihnen?" hörte ich plötzlich eine Stimme.
    Und was für eine: dunkel,
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