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Wolke 8...

Wolke 8...

Titel: Wolke 8...
Autoren: Monika Kunze
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Leckerei war fast genauso groß wie mein Wissen über deren Kaloriengehalt und die Folgen auf meinen Hüften.
    Eine junge Mutti mit ihren zwei Kindern kam lachend und schleckend vorbei. Da war die Sache entschieden, denn in meinem Mund gab es inzwischen eine beträchtliche Überschwemmung. Ich stellte mich ans Ende der Schlange, mein Gesicht der Sonne entgegen gereckt.
    Doch es ging viel schneller als ich dachte.
    „ Eine Kugel Vanille und eine Erdbeere, bitte.“
    Die junge Frau hinter dem Tresen ihres Eisgefährts ähnelte meiner Tochter, und ich freute mich über ihr Lächeln, mit dem sie mir die Waffeltüte reichte.
    Ich zahlte, lächelte ebenfalls und sah mich nach einem ruhigen Plätzchen um, wo ich meine kleine Sünde in Ruhe vertilgen konnte.
    Drüben, in der Grünanlage am Wasserturm, würde ich zu dieser Zeit bestimmt einen Platz auf einer der neu aufgestellten Bänke finden.
    Ich liebte diesen kleinen Park, dessen altehrwürdige Kastanien und die Wasserkaskaden, die bei Sonnenschein sogar kleine Regenbogen hervorzaubern konnten.
    Zu meiner Überraschung waren fast alle Plätze im Innenbereich besetzt, also musste ich mit einer Bank ganz außen, fast am Straßenrand, vorlieb nehmen. Lange würde ich dort nicht sitzen, denn von meinem Eis war kaum noch etwas übrig.
    Hier gab es zwar keinen Schatten, aber das machte mir nichts aus. Mit einem Erfrischungstuch säuberte ich meine Hände und brachte das Tuch zum Müllbehälter. Dann schlenderte ich zurück zu meinem Logenplatz, setzte mich, lehnte mich gemütlich zurück und schloss die Augen. Wer weiß, wie oft wir noch solche schönen Tage haben würden? Der Sommer neigte sich schließlich seinem Ende zu.
    Plötzlich wurde ganz in der Nähe eine Autotür zugeschlagen. Ich zuckte zusammen und öffnete die Augen. Ein Mann steuerte geradewegs auf mich zu. Ich starrte ihn an, denn sein Anblick verschlug mir die Sprache. Dabei entsprach er keineswegs einem dieser gängigen Klischees, wie groß, schlank, blond, blauäugig. Er war nur mittelgroß und auch nicht besonders schlank, trug einen leicht zerknitterten Leinenanzug und ein schwarzes Hemd, bei dem mindestens drei Knöpfe offen standen und den Blick auf eine dunkel behaarte Brust freigaben. Seine Schultern wirkten kräftig, sein Haar war dunkel, von ziemlich vielen grauen Strähnen durchzogen.
    Aber ich hatte ihn sofort erkannt: diese tiefbraunen Augen würde ich niemals vergessen. Dunkel und geheimnisvoll traf mich jetzt sein Blick. Es schien mir, als könne er bis auf den Grund meiner Seele schauen. Seine Wangenknochen waren hoch, seine Haut wettergegerbt und von vielen Fältchen durchzogen, sein Mund voll. Er war es! Da gab es gar keinen Zweifel: Wie oft hatte ich als junges Mädchen von diesem Mann geträumt! Doch in Wahrheit hatte ich niemals so einen getroffen. Geheiratet habe ich dann sowieso einen ganz anderen Typ, meinen Reinhard: lang dünn, aschblond, sportlich, korrekt und sehr zuverlässig.
    Solche Sachen, wie einfach mal einen Stadtbummel machen, hatte er für total überflüssig gehalten. Vor drei Jahren war er einem Herzinfarkt erlegen. Seitdem gönnte ich mir ab und zu einen solchen Bummeltag – manchmal mit meiner Tochter, aber meistens allein, weil sie ja berufstätig war.
    Der fremde und gleichzeitig auf seltsame Art so vertraute Mann stand nun direkt vor mir. Er lachte mich an, halb siegesgewiss, halb verlegen.
    Ich rief mich zur Ordnung und wollte ihm eben seine Unverfrorenheit vorhalten, bei seinem BMW einfach die Warnblinkanlage einzuschalten und am Straßenrand abzustellen, aber dazu kam es nicht mehr.
    „ Bitte, entschuldigen sie die Störung“, sagte er mit dunkler Stimme, „könnten Sie mir vielleicht sagen, wie ich zum Hotel KRISTALL komme?“
    Das war natürlich nicht schwierig zu erklären, weil es gleich um die Ecke lag. Trotzdem spürte ich so etwas wie Enttäuschung. Ts, der wollte mich nur nach dem Weg fragen …
    Dummes Herz, schalt ich mich innerlich, hör auf, so ungestüm zu klopfen, du bist doch keine zwanzig mehr. Ich musste mir tatsächlich erst einmal mein wahres Alter ins Gedächtnis zurück rufen, um angemessen zu reagieren.
    „ Sie müssten bitte umdrehen, zurück bis zur Ampel fahren und dann links abbiegen … die Parkplätze finden sie hinter dem Hotel …“ sagte ich so ruhig und freundlich wie es mir im Moment möglich war. Ich hoffte, dass er das Zittern in meiner Stimme nicht bemerkt haben würde. Was für absurde Befürchtungen! Denn was
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