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Wolfsgesicht

Titel: Wolfsgesicht
Autoren: Katharina Fischer
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sich die Psychologin gab.
    Cotta lächelte. »Ihr drei bekommt es ja doch heraus. Wenn ihr einmal Lunte gerochen habt …«
    Unter den missbilligenden Blicken von Mrs Harding zog er einen Zettel aus der Innentasche seines Jacketts und reichte ihn Justus. Der Text war mit einem gewöhnlichen Filzstift in dicken Blockbuchstaben geschrieben.
    Es war einmal ein Mann.
    Er geht durch die Kennedy Street. Er zieht die Schultern zusammen. Es ist kalt. Er friert. Er hat einen festen Vorsatz. Drei Straßen noch, die Kreuzung ist frei. Der Mann überquert sie und geht weiter. Sein Blick fällt auf seine alte Taschenuhr: 17.50. Er denkt: Der Präsident ist heute nach London aufgebrochen. Dann erreicht der Mann die lange Straße. Er läuft den Gehsteig entlang. Gegenüber liegt ein exklusives Bekleidungsgeschäft. Der Inhaber dekoriert einen teuren Mantel. Der Mann bleibt stehen. Er grinst in sich hinein und greift in die Plastiktasche. Fest schließt sich die Hand um den Knüppel …
    Der erste Gruß an Mr Cotta, die Pflaume
    vom Wolfsgesicht
     
    Justus blickte auf. »Fängt fast wie ein Märchen an«, sagte er heiser und hustete. Das Knie des Polizisten hatte seine Wirkung nicht verfehlt. »Aber dann geht der Text plötzlich ganz anders weiter.«
    Cotta nahm den Zettel wieder entgegen. »So ist es«, sagte er. »Zunächst dachte ich, es sei vollkommener Blödsinn. Ein Verrückter, der mir Angst machen will. Ich wollte den Zettel schon in den Papierkorb werfen.«
    Justus nickte und fing an herumzulaufen. Das tat er gelegentlich, wenn er laut nachdachte. Er hatte es aus dem Fernsehen übernommen. »Doch dann fiel Ihnen auf, dass es sich um einen sehr untypischen Brief handelte«, begann er. »Es ging um ganz konkrete Dinge: Ein alteingesessenes Geschäft wird bedroht. Sie schalteten zur Unterstützung Mrs Harding ein, die Polizeipsychologin.«
    Cotta nickte.
    Justus war vor ihm stehen geblieben. »Vor einiger Zeit arbeiteten Sie doch mit einer anderen Psychologin zusammen«, erinnerte er sich. »Mrs Ferguson. Sie hatte uns geholfen, als Peter entführt worden war. Die fand ich sehr nett.«
    Auf Cottas Gesicht erschien ein resigniertes Lächeln. Den leichten Unterton gegen Mrs Harding hatte er überhört. »Sparmaßnahmen«, grummelte er. »Die Stelle in Rocky Beach wurde gestrichen. Wir sind angeblich zu klein. Jetzt müssen wir uns aus Los Angeles bedienen.«
    Justus fixierte Mrs Harding, die keine Miene verzog. Aber seine Spitze eben hatte gesessen, das spürte er. Justus grinste und setzte sich wieder in Bewegung. »Mrs Harding vermutete wohl, dass Sie ein bisschen mitdenken sollen, Inspektor. Der Verfasser, der sich ›Wolfsgesicht‹ nennt, will mit Ihnen spielen. Sie sollen die Botschaft enträtseln.« Justus musste erneut kräftig husten, dann erst konnte er weiterreden. »Inspektor Cotta, mir ist vollkommen klar, warum Sie hier bei Mr Laurent warten. In dem Brief geht es um ›teure Mäntel‹ und um ein ›exklusives Bekleidungsgeschäft‹. Da liegt der Schluss nahe, dass der Mann ein Pelzgeschäft ausrauben möchte und es in diesem Schreiben ankündigt. Ausgehend von der Angabe ›Kennedy Street‹ erkannten Sie, dass es sich um Mr Laurents Laden handeln musste, zumal es nicht viele solcher Geschäfte in Rocky Beach gibt. Es liegt direkt an der Hauptstraße. Vorher kann man eine Kreuzung überqueren. Eine Uhrzeit war auch angegeben. Doch an welchem Tag, an welchem Datum sollte alles geschehen? Die Zeile mit dem Präsidenten verriet es ihnen: Heute ist der amerikanische Präsident zu einem Kurzbesuch nach London geflogen. Sie beschlossen, dem Mann sicherheitshalber eine Falle zu stellen, auch wenn es zunächst sehr unwahrscheinlich anmutete, dass der Mann tatsächlich zuschlagen würde.«
    »Warum?«, unterbrach ihn die Polizeipsychologin.
    »Weil er ja damit rechnen musste, dass die Polizei auf ihn wartet. So schwer war sein Rätsel nun auch wieder nicht zu entschlüsseln.«
    Da Mrs Harding schwieg, fuhr Justus in seiner Betrachtung fort. »Leider kam ich Ihnen dazwischen, und da ich den Baseballschläger dabeihatte, hielten mich Ihre Kollegen sofort für den Täter. Entsprechend zuvorkommend wurde ich dann auch empfangen.«
    »Ja, äh, ich bitte noch mal um Entschuldigung!« Cotta klopfte ihm auf die Schulter. »Aber genau so war es. Prima, Justus!« Er nickte Mrs Harding zu, die ihre Schreibtischplatte nicht verlassen hatte. »Sie sehen, Mrs Harding, Justus Jonas ist ein wirklich heller Junge.«
    Mrs Harding wirkte
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